Engagement in der Denkmalpflege

Kooperationen mit der Denkmalpflege seit den 1980er-Jahren

Es mag erstaunen, dass an einer so renommierten und traditionsreichen Architekturfakultät das Thema Denkmalpflege nicht jene Selbstverständlichkeit besaß und besitzt, die es in der Lehre und Baupraxis eigentlich verdient. Stattdessen bestätigt sich einmal mehr die Nischenposition, welche die historischen Fächer in einem so entschieden auf das Entwerfen, den Neubau und die Stadtplanung orientierten Fachbereich einnehmen.

Welches der drei Fachgebiete hierbei die größte Affinität zum Thema zeigte, wechselte je nach Besetzung. So war in den 1980er-Jahren mit Walter Haas ein erklärter Bauforscher Lehrstuhlinhaber für Baugeschichte, weshalb sich die Fachgebiete Kunstgeschichte und Klassische Archäologie unter Liebenwein und Knell auf andere Gebiete konzentrierten. Parallel zu dessen langjährigem Projekt, der Erforschung der mittelalterlichen Kirchen von Siena (1), existierte aber auch ein regionales, „bodenständiges“ Lehrangebot, das von Reinhard Reuter, einem akademischen Rat der Fachgruppe Stadt (!) betrieben wurde. Reuter vermittelte das Handwerkszeug der Bauaufnahme, damals noch mit Schlauchwaage, Senkblei, Bleistift und Karton, an Beispielen des ländlichen Bauens in Hessen. Er zeigte sich offen für studentische Ideen wie die 1988 gegründete „Synagogeninitiative“: Angeregt durch den Mittwochabendvortrag des Frankfurter jüdischen Architekten Salomon Korn zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht beschlossen einige Studierende der „Unterstufe“, statt beliebiger Fachwerkhäuser die letzten gebauten Zeugnisse des 1938 endgültig erloschenen hessischen Landjudentums zu erfassen. Auf Basis der so gratis erstellten Bauaufnahmen konnten die vorher ruinösen ehemaligen Gotteshäuser von Riedstadt-Erfelden (2) und Romrod (3) durch engagierte lokale Vereine wieder einer kulturellen Nutzung zugeführt und vor dem Verfall und Vergessen bewahrt werden.

Seit der Berufung von Franziska Lang hat das Fachgebiet Klassische Archäologie die Bauaufnahme wieder fest im Lehrplan etabliert. Neben Kampagnen in Griechenland und Italien werden auch seit Jahren regelmäßig Bauuntersuchung an deutschen Denkmälern des Mittelalters, z.B. der Ortsbefestigung von Ober-Ingelheim in Rheinland-Pfalz durchgeführt, und die Ergebnisse in eindrucksvoller digitaler Animation präsentiert (4).

Zu einem neuen Anlauf der Kooperation zwischen Landesamt für Denkmalpflege Hessen und dem Fachgebiet Kunstgeschichte der TU kam es erst im letzten Jahrzehnt. Hierbei wurden zwei verschiedene Wege beschritten. Zum einen durch die Bearbeitung konkreter Projekte, die auf eine praktische Umsetzung zielten; zum anderen durch Ringvorlesungen, in denen das Team des Landesamtes in einer großen Rundumschau die jeweiligen Tätigkeitsbereiche vorstellte: Von den rechtlichen Grundlagen über die Restaurierung, die städtebauliche Denkmalpflege, die Inventarisierung von Bauten der Nachkriegsmoderne bis zur Vorbereitung des Welterbeantrags Mathildenhöhe (5). Wie groß hier Nachholbedarf und studentisches Interesse waren, belegten die dreistelligen Teilnehmendenzahlen der Jahre 2017 und 2018, die für die zahlreichen Ortstermine jeweils aufgeteilt werden mussten.

Als Beispiel eines auf Realisierung zielenden konkreten Projekts sei eine Zusammenarbeit zwischen der TU und der Hochschule Geisenheim (Prof. Dr. Constanze Petrow) aus dem Jahr 2018 erwähnt: Studierende der Architektur und der Freiraumplanung entwickelten in gemischten Teams Vorschläge zur Revitalisierung der Burgruine Freienstein im Odenwald (Stadt Oberzent). Die Ergebnisse eines zweitägigen Workshops in Gammelsbach wurden gemeinsam mit den Ortsansässigen diskutiert und sollen als Grundlage einer baldigen Umsetzung durch einen lokalen Trägerverein dienen (6).

Seit Februar 2020 ist mit Prof. Dr. Christiane Salge, Leiterin des Fachgebiets Architektur- und Kunstgeschichte, eine Vertreterin des Fachbereichs Architektur Vorsitzende des Hessischen Landesdenkmalrats (gemeinsam mit Prof. Philipp Oswalt von der Universität Kassel), der das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Fragen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege berät.

(Meinrad von Engelberg)

(1) Walter Haas (Hrsg.): Die Kirchen von Siena / Bd. 3. Der Dom S. Maria Assunta / 1. Architektur / Textband (2 Teilbände) 2006. Bildband und Tafelband 1999.

(2) GG online: Ehemalige Synagoge Erenfeld, bes. am 16.03.21.

(3) Stadt Romrod: Ehemalige Synagoge, bes. am 16.03.21.

(4) Webseite: Ortsbefestigung 3.0, bes. am 16.03.21.

(5) Webseite: Landesamt für Denkmalpflege (Kooperation mit der TU Darmstadt), bes. am 25.03.2021.

(6) Webseite: Landesamt für Denkmalpflege (Burgruine Freienstein), bes. am 16.03.21.