An der 1869 in Darmstadt eingerichteten Grossherzoglich Hessischen Polytechnischen Schule gab es sechs Abteilungen: die Allgemeine Schule und fünf technische Schulen, das waren die Bau-, die Ingenieur- und die Maschinenbauschule sowie die chemisch-technische und die landwirtschaftliche Schule. Von Anfang an existierte mit Georg Schaefer eine ordentliche Professur im Fach Kunstgeschichte. Diese Professur war aber zunächst nicht der Bauschule, sondern der Allgemeinen Schule zugeordnet, sie diente also auch zur allgemeinen wissenschaftlichen Bildung aller Studenten und der interessierten Öffentlichkeit. Zugleich sind die beiden Lehrveranstaltungen von Schaefer aber fester Bestandteil des Studienplans der Bau- und Ingenieurschule gewesen. Das heißt Schaefer verblieb zwar personell in der Rubrik Allgemeine Schule, seine Kurse in Kunstgeschichte waren aber zumindest für die Studenten der Bauschule und bis 1879 auch für die der Ingenieurschule verpflichtend.

Erst im Studienjahr 1896/97 wurde die Kunstgeschichtsprofessur direkt der Abteilung Architektur zugeordnet. Im Vorlesungsverzeichnis heißt es, dass die Allgemeine Kunstgeschichte nun „[m]it besonderer Berücksichtigung der Architektur“ gelesen wird. Diese Zuordnung zur Architektur änderte sich auch unter den späteren kunsthistorischen Professoren bis 1928 nicht.

Eine einschneidende Veränderung gab es im Wintersemester 1928/29: Offensichtlich auf Betreiben von Paul Hartmann wurde das Fach Kunstgeschichte der Abteilung für Kultur- und Staatswissenschaften zugeordnet. Hiermit sollte zum Ausdruck kommen, wie es von Seiten dieser Abteilung heißt, „daß die Kunstgeschichte nicht bloß als eine Fachangelegenheit der Architektur zu gelten hat, sondern auch als eine Wissenschaft von allgemeinem Bildungswert im Zusammenhang der kulturwissenschaftlichen Disziplinen ihren Platz finden soll.“ Dieser Zustand währte allerdings nicht besonders lang, denn schon 1930 wünschte die Abteilung Architektur diese Veränderung rückgängig zu machen, was auch 1931 umgesetzt wurde. Hierzu heißt es in der Akte zur Wiedereingliederung des Lehrstuhls Kunstgeschichte an die Abteilung für Architektur, dass beide, der damalige Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Paul Hartmann und die Architekturabteilung, diesen Prozess für notwendig erachten, „weil Kunstgeschichte für die Studierenden der Architektur, die auch fast die gesamte Besucherzahl der Vorlesungen und Uebungen stellen, ein Hauptfach und neuerdings auch Pflichtprüffach ist und ihre geeignete Verbindung mit den übrigen kunsthistorischen etc. Fächern wie ihre zweckmäßige Einordnung in den Studienplan der Abteilung den engeren Konnex des Lehrstuhls mit der Abteilung für Architektur zur Bedingung macht.“ Ein erhaltenes Diplomzeugnis der Studentin Gerda Rothamel aus dem Jahre 1934 zeigt, das Allgemeine Kunstgeschichte wirklich damals zum festen Prüfungsprogramm eines Architekturstudenten bzw. einer -studentin gehörte, während dies 1922 noch ein frei zu wählendes Prüfungsfach war. Letztlich blieben die Kunstgeschichtsvorlesungen weiterhin – trotz Zuordnung zur Architekturabteilung – auch für die Studenten der Kultur- und Staatswissenschaften offen.

Wiedereingliederung des Lehrstuhls Kunstgeschichte an die Abteilung für Architektur, Einband des Aktenbestands aus der Personalakte von Paul Hartmann (Ausschnitt)

Auszug aus einem Senatsprotokoll vom 10. Juni 1931 zur Wiedereingliederung der Kunstgeschichte in die Architektur-Abteilung

Auszug aus einem Senatsprotokoll vom 10. Juni 1931 zur Wiedereingliederung der Kunstgeschichte in die Architektur-Abteilung

Handschriftliche Zusammenstellung der kunsthistorischen Lehrstühle in Deutschland und deren Zuordnung zur architektonischen bzw. den kulturwissenschaftlichen Abteilungen an den jeweiligen Hochschulen, um 1930

Dem Aktenvorgang zur Wiedereingliederung der Kunstgeschichte in die Abteilung der Architektur ist ein undatierter Zettel beigefügt, auf dem von anonymer Hand notiert ist, wie es sich mit der Zugehörigkeit des Lehrstuhls Kunstgeschichte an den anderen deutschen Technischen Hochschulen verhielt: die Hälfte aller Lehrstühle war zu diesem Zeitpunkt, also um 1930, den Abteilungen der Architektur bzw. dem Bauwesen (Aachen, Braunschweig, Breslau, Danzig, Hannover) zugeordnet und die andere Hälfte – wie Darmstadt – den allgemeinen Wissenschaften bzw. den Kulturwissenschaften (Berlin, Dresden, Karlsruhe, München, Stuttgart). Dies zeigt, dass es damals keine einheitliche Zuordnung des Faches Kunstgeschichte an den Technischen Hochschulen gab, sondern dies an jeder Hochschule anders gehandhabt wurde.

1947 erfolgte noch einmal eine „Anregung“ des Dekans der Kultur- und Staatswissenschaften, den Lehrstuhl für Kunstgeschichte in seine Fakultät einzugliedern. Der damalige Lehrstuhlinhaber Oskar Schürer gab sich in zwei Stellungnahmen, die sich im Evers-Nachlass im Universitätsarchiv erhalten haben, sichtlich überrascht von dem Vorschlag und bringt seine Ablehnung der Idee deutlich zum Ausdruck. Wichtiges Argument ist ihm dabei die Bedeutung seines Fachs im Kontext des Architekturstudiums. Er argumentiert: „Solange die Fakultät für Kulturwissenschaften den Abschluß eines eigenen Studiengebietes durch Diplom und Doktorpromotion nicht bieten kann, ergibt sich für das Fach der Kunstgeschichte dort kein Wirkungsfeld.“ Dazu führt er die „ersprießliche Zusammenarbeit mit den Dozenten der Architektur“ ins Feld. Rückendeckung erhält Schürer von der Architekturfakultät, wie ein Schreiben Karl Grubers an das Rektorat der Hochschule beweist. Auch hier wird mit der engen Verbindung der Kunstgeschichte mit dem Lehr- und Prüfungsplan der Architektur argumentiert. Das kunstgeschichtliche Institut, einschließlich seiner Bibliothek und Lichtbildersammlung sei für die Architekturfakultät „ganz unentbehrlich“. Mit dieser Episode scheint die Diskussion beendet gewesen zu sein.

Brief des Rektors an den Dekan der Fakultät für Architektur, 26. Juni 1947.

Stellungnahme von Prof. Dr. Walbe zur 'Auslagerung' der Kunstgeschichte, 24. Juni 1947.

Brief von Oskar Schürer an den Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften, 27. Juni 1947.

Brief von Prof. Karl Gruber an das Rektorat, 31. Juli 1947, S. 1.

Brief von Prof. Karl Gruber an das Rektorat, 31. Juli 1947, S. 2.

Die Einbindung des Fachs Kunstgeschichte in die Architektur hat bis in die heutige Zeit Bestand. Mit dieser Entscheidung war 1931 einerseits verhindert worden, dass man an der Technischen Hochschule Darmstadt eine eigenständige Ausbildung im Fach Kunstgeschichte etablierte, andererseits war damit zugleich der Weg für eine sehr breit aufgestellte Kunst- und Architekturgeschichte an der Architekturabteilung geebnet worden. Ein Zustand, der sich noch heute in den drei historischen Fachgebieten am Fachbereich Architektur der Technischen Universität widerspiegelt, denn hier gibt es drei Lehrstühle für Klassische Archäologie, Architektur- und Kunstgeschichte sowie Geschichte und Theorie der Architektur.

(Christiane Salge)

Quellen:

Archiv: Universitätsarchiv der TU Darmstadt: Personalakte Paul Hartmann, UA Darmstadt 103 Nr. 681/1; UA Darmstadt 102 Nr. 8092, Diplom-Hauptprüfungszeugnis von Gerda Rothamel für das Hochbaufach vom 30. Juni 1934; Evers-Nachlass. UAD 303/51

Digitalisierte Vorlesungsprogramme der TH Darmstadt (1869-1945).

Christiane Salge, Das Fach Kunstgeschichte an der Technischen Hochschule in Darmstadt von 1869 bis 1945, in: Robert Stalla (Hrsg.): Kunstgeschichte an Polytechnischen Instituten, Technischen Hochschule, Technischen Universitäten, Wien/Böhlau 2021, S. 59-80.