Taggerwerk Bibliothek Graz
Masterthesis Wintersemester 2023/24

Herausgegeben vom Fachgebiet Entwerfen und Gebäudetypologie (Prof.'in Elke Reichel)

Im Rahmen der Masterthesis sollte auf dem Gelände der ehemaligen Taggerwerke im Süden von Graz eine Bibliothek entwickelt werden, die neben dem bekannten und gewohnten Funktionsablauf einer Bibliothek weitere Nutzungen beinhaltet. Es sollte aufgezeigt werden, dass sich die Typologie Bibliothek dem Zeitgeschehen anpassen und an Relevanz gewinnen kann.

Die Grazer Nebelzone zeichnet sich durch die Mischung vielfältiger Nutzungen, Bevölkerungsgruppen und einer hohen heterotopen Intensität aus. In diesem Spannungsfeld aus Vermischung und Vermittlung bieten die leerstehenden Silos der Taggerwerke die Chance, Kulturproduktion und Bevölkerung an einem identitätsstiftenden Ort der Produktivität und des Lernens im Süden von Graz zusammenzuführen.
Das Grundstück wird dem Quartier als frei nutzbarer Raum mit Sport- und Erholungsangeboten zur Verfügung gestellt. Im Norden bieten an das Gebäude anschließende Werkhöfe Platz für freies Arbeiten und gemeinsames Schaffen.
Der Bestand wird auf die Silogebäude reduziert und in der Erdgeschosszone großflächig geöffnet, sodass der Außenraum allseitig schwellenlos in das Gebäude übergeht. Zentral zwischen den Silotürmen fungiert die Mischanlage in flexiblen Raumschaltungen als multifunktionale Veranstaltungs-, Ausstellungs- oder Marktfläche. Sie ist Verteiler, Aufenthaltsbereich und Treffpunkt des neuen Taggerwerks.
Markante Treppen führen in die Türme der Atelier-, Ausstellungs- sowie Lesebereiche. Der frontseitige Leuchtturm lädt mit seiner transluzenten Fassade in die Innenräume ein. Analog führt der Ausstellungsturm für im Haus produzierte Werke in die Ateliers und gemeinschaftlichen Arbeitsräume.
Der öffentliche Raum setzt sich vertikal mit gemeinsamen Arbeits- und Lesebereichen fort und bietet einen niedrigschwelligen Zugang zu Räumen der Entfaltung, Kultur und Bildung für Alle. Insta : @thooiomas

Niedrigschwelligkeit und Zugänglichkeit sind die wesentlichen Elemente, die den öffentlichen Raum einladend machen und eine Beteiligung am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Der Entwurf „Innenleben“ rückt diese Themen in den Fokus. Durch präzise bauliche Eingriffe wird Bestehendes geöffnet und somit der Zugang zu Kultur und Bildung für alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen gesichert, sowie die Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs gestärkt. Das Gelände des ehemaligen Tagger-Futtermittelwerk im Grazer Süden wird so nach Jahren des Brachliegens in einen öffentlichen Treffpunkt transformiert, der in den umliegenden Stadtteil Graz-Gries und darüber hinaus ausstrahlt.
Die innenliegende, filigrane Silostruktur wird durch das Entfernen der Außenwände sichtbar gemacht und als skulpturale Figur inszeniert. Im mittleren Gebäudeteil, der eine engmaschigere Struktur aufweist wird zudem ein skulpturaler Innenraum herausgeschnitten. Von Außen wird so ein direkter Blick in das Innere des Gebäudes ermöglicht, welches sich architektonisch öffnet und durch seine Transparenz innenliegende Prozesse und Nutzungen zeigt. Durch verschiedene Ebenen, Splitlevels und Öffnungen entstehen im Innenleben vielseitige Raumbeziehungen und Blickachsen. Es finden sich verschiedenste Nischen, Arbeits- und Freizeitmöglichkeiten sowie Orte des Begegnens und des Austauschs. Das Gebäude spiegelt die Komplexität des sozialen Geflechts des Stadtteils wider und gibt diesem einen gebauten Raum.

@bobinho_h

Die Arbeit startet mit der Frage, wie Speicherprozesse in einer Bibliothek funktionieren können und welche Dinge gespeichert werden müssen – hierbei wird sich der Effizienz von Computerspeichern bedient. Computerspeicher funktionieren nach streng hierarchisch gegliedertem System, wie z.B. RAM-Speicher: schneller Zugriff, wenig Speicherkapazität; Festplatte: langsamer Zugriff – hohe Speicherkapazität. (Top-Down)
Die drei neu entstehenden Bibliotheken bedienen sich diesem System. Sie orientieren sich vertikal in den ehemaligen Silostrukturen. Je weiter man nach oben gelangt, desto kleinteiliger werden die Arbeitsplätze und desto ruhiger wird die Lernatmosphäre. Ebenso ändern sich Art und Kapazität der Buchbestände. Das Prinzip der Hierarchie bekommt einen neuen Gegenspieler, der sich hauptsächlich im Städtebau sowie der Disposition der Nutzungsverteilung bemerkbar macht: das Prinzip der Heterarchie. Diese zeichnet sich vordergründig dadurch aus, dass Prozesse gleichberechtigt, also nebeneinander und horizontal verlaufen (Bottom-Up). Demnach sollen unter diesem Prinzip keine physischen Gegenstände gespeichert werden, sondern die Erfahrungen und Erinnerungen an die Interaktion zwischen den Menschen.
An der Nord- und Südseite der Taggerwerke entstehen hierfür Ersatzneubauten, welche ein neues Ensemble bilden. In diesen finden Veranstaltungen, Vorstellungen, Ausstellungen und Workshops statt.
Verbunden wird das neue Ensemble durch mehrere Portikus, welche visuell und materiell die Teile miteinander verbinden. Durch diese gelangt man in den Hortus der Anlage, welcher gleichzeitig als Verteiler in alle Erdgeschosse fungiert. Die neu entstehenden öffentlichen Sportanlagen auf den Dächern der Anlage werden über die Stadttreppen erschlossen, welche sich außerhalb der Portikus als sichtbare Türme an der Außenwand der Silos erstrecken.
Transit to Memory versucht die Speicherung von Wissen und die Speicherung von Momenten sowie deren Mit- und Nebeneinander und Abhängigkeit voneinander zu untersuchen.

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Die neue Bibliothek in den Bestandsbauten der Taggerwerke Graz macht sich mithilfe von Addition und Subtraktion die vertikalen Silostrukturen zu eigen: Mithilfe zwei- und dreidimensionaler Geometrien werden die Silos zu neuen Räumen aufgespannt, die die Silostruktur nach außen sichtbar und von innen sinnvoll nutzbar macht. Städtebaulich wird so ein Leuchtturm aus dem südwestlich gelegenen Siloturm, der kugelförmig ausgehöhlt und seitlich angeschrägt wird. Aus allen Perspektiven wahrnehmbar gliedert sich so der darin erzeugte Kaltraum als Gartensaal an das neue Freigeschoss, das auf dem Lesesaalanbau Besuchenden, StipendiatInnen und Mitarbeitenden eine neue Freifläche inmitten des Komplexes bietet, ohne das Gebäude verlassen zu müssen. Mit drei Tunnelelementen, konstruktiv dem klassischen Tunnelbau angelehnt, werden markante Bibliotheksräume mit vielen Rückzugsmöglichkeiten in den zwei östlich gelegenen Silobauten erzeugt. Ateliers und Wohnen werden in den erhaltenswerten bestehenden Hallenstrukturen nördlich des Haupttrakts untergebracht und um einen tiefergelegenen Atelierhof ergänzt, der ohne große bauliche Eingriffe aus dem zuvor als Tiefgarage genutzten Kellergeschoss entsteht. Betonabbrüche sind entweder im Skulpturengarten im Norden weiterverwertet oder im Süden als neuer Trümmerberg aufgeschüttet. Der Hügel kann vom nahegelegenen Botanikatelier bepflanzt werden und bietet baulich eine Abgrenzung zur umliegenden Industrie, die wiederum durch einen neuen Steg zum umgenutzten Wasserwerk an anderer Stelle eingebunden wird.

Ehemals als „Tagger Futter Werke“ bekannt und genutzt, entwickelte sich das heutige Taggerwerk mit seinen stillgelegten Getreidesilos zu einem Standort für freischaffende Künstler, Festivalaktivitäten und eine aktive Graffiti-Szene.
Das Tagerwerk markiert mit seinen 40 Meter hohen Silotürmen eine Landmarke zwischen dem Gewerbegebiet an der Mur und dem Wohngebiet.
Die gute Bausubstanz des Taggerwerks hat es einigen örtlichen Betreibern möglich gemacht, durch angebaute Nutzungen wie Bouldern und Fitnessstudio etwas mehr Leben ins Quartier zu bringen.
Den Charakter des Quartiers zeichnet jedoch die Aneignung unterschiedlichster Interessensgruppen aus der Kunst-, Musik,- oder Graffittiszene aus.
Im Zuge einer Revitalisierung soll nun das Taggerwerk nachhaltig aktiviert werden.
Neue Nutzungen, wie eine Bibliothek, Gastronomie und Platz für künstlerische Entfaltung sollen das bestehende Quartier stärken und attraktiv halten.
Die Ausgangsidee des Entwurfs strebt eine Verteilung der unterschiedlichen Nutzungen unter bestmöglichen Synergiepotentialen an. Besonders lebhafte und laute Nutzungen, wie beispielsweise die Ateliers und Ausstellungsflächen lassen sich gut an die Gastronomie und Veranstaltungsflächen im neuen Gebäudeteil, der „Werkhalle“ koppeln.
Ruhigere Nutzungen hingegen, wie die Bibliothek und Arbeitsplätze werden über Treppen- Leselandschaften in einem Aufgang Ebene für Ebene erschlossen, um den Lärmpegel der Werkhalle zu minimieren.
So bleibt der Kern des neuen Taggerwerk dennoch eine Schnittstelle für alle Nutzungen des Hauses.

Die neue Stadtteilbibliothek soll Potentiale und Nachbarschaft aktivieren, Bildung für alle zugänglich machen und einen neuen Anker im Grazer Süden ausbilden. Hierfür gilt es dem Quartier einen städtischen Brückenkopf zu geben, ist dieses Industriegelände bis jetzt doch eher ein städtischer toter Winkel. Deshalb wird der Werkhof des Bestandes sowie das komplette Erdgeschoss zu einem städtischen Park. Hier können Grazer*innen ohne Konsumzwang verweilen und ein Stück Grün zwischen viel Asphalt finden.
Das Bestandsdach des Baus bildet hierbei ein neues Stadtdach aus in dessen Zentrum der Veranstaltungssaal frei zugänglich für alle ruht. Auf dem Markt der Möglichkeiten darüber sind die offenen Ateliers gleichzeitig Adressen aber auch Anfixpunkte für die praktisch vermittelte Bildung der Bibliothek. Durch die Ateliers kann man die verschiedenen thematisch sortierten – aber unter einander verbundenen – Bibliotheksteile erschließen. Es geht darum Interesse zu wecken, praktische Erfahrungen zu sammeln und diese danach in Büchern zu vertiefen und durch hartes Wissen zu erweitern. Dieser Prozess findet gemeinsam mit der Erschließung des Gebäudes nach oben statt. Präsentationsbereiche wechseln sich dabei mit Lesebereichen ab, jeweils getrennt durch Rampen entlang derer die Bücher zu finden sind. Alle Bereiche laden aber auch zum Verweilen und Austausch ein. Sind doch Begegnungen und persönliche Gespräche das effektivste Medium der Wissens- und Erfahrungsvermittlung.
Räumlich wird aus einem Silobau mit dem Charme eines Hochbunkers ein schwebendes und lichtdurchflutetes Stadtregal mit Ausblicken auf die Grazer Innenstadt, die Natur und eine strahlende Zukunft.

Die stillgelegte Siloanlage für Futtermittel befindet in einem ein sehr heterogenen Quartier, welches von Industrie- und Gewerbehallen, Atelierflächen und Wohnanlagen bis hin zu Einfamilienhäusern geprägt ist.

Fabian Helbigs Entwurf zielt auf einen respektvollen Umgang mit dem Bestand ab, bei dem nahezu der gesamte Komplex einschließlich der bisherigen Umnutzungen erhalten, überfrort und gemäß seiner bereits bestehenden räumlichen Qualitäten ergänzt wird.

Die bestehende Hallenstruktur zwischen den Gebäuden wird als Zugangsgeste interpretiert, sodass das Quartier eine klare Orientierung erfährt. Während sich in den Geschossen EG bis 2.OG primär Quartiersnutzungen wie Gastronomie, Kino, Sportanlagen (Bestandsnutzungen werden ebenfalls erhalten) und Veranstaltungsräume befinden, sind in den Obergeschossen die Bibliotheks-, Lern-, Arbeits- und Aufenthaltsflächen untergebracht.

Das Gebäude wird aus dem Kontext und der Typologie heraus zoniert. Die seitlichen Türme werden dabei als introvertierte und schützenswerte „Büchertürme“ interpretiert, während der mittige Riegel einen hellen und offenen Kontrast bildet. Um das Gebäude zu zonieren und auf den menschlichen Maßstab zu skalieren, werden die Treppenhäuser an die Schnittstelle zwischen Riegel und Turm gesetzt und jeweils um ein Halbgeschoss versetzt. Die Kammerstrukturen werden beibehalten und zum Beispiel als Multifunktionsräume genutzt. Sondernutzungen wie Verwaltung, Lesesaal, Ateliers und Stipendiatenwohnungen werden in den anderen Türmen angeordnet und besitzen unterschiedliche Schnittstellen.

Da das Erscheinungsbild erhalten bleiben soll, wird das Gebäude von innen mit Hohlblocksteinen aus Beton „gedämmt“, welche gleichzeitig die Zwischendecken tragen.

Ausgezeichnet mit dem Fachbereichspreis für die beste Masterthesis und mit dem Förderpreis der Zeitschrift „wettbewerbe aktuell“