Johann Georg Schaefer

Johann Georg Schaefer

(*1823 in Mainz – †1908 in Darmstadt) lehrte ab 1869 auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Polytechnischen Schule Darmstadt bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1902

Werdegang

Johann Georg Schaefer stammte aus einem bürgerlichen, streng katholischen Elternhaus. Sein beruflicher Werdegang lässt sich stellenweise nur bruchstückhaft nachzeichnen. Eine akademisch kunsthistorische Ausbildung ist nicht nachzuweisen. Sein Studium, vermutlich mit historischer und/oder philologischer Ausrichtung, absolvierte er in den 1840er-Jahren. Hier war er für mindestens ein Semester an der philosophischen Fakultät in Gießen eingeschrieben. 1851 wurde er in Gießen „in absentia“ promoviert (ein Promotionsverfahren ohne Promotionsschrift und/oder Disputatio, das in dieser Zeit in Gießen möglich war), wahrscheinlich im Fach Geschichte. Schaefer betätigte sich nach dem Studium zeitweise als Journalist. Zwischen 1849 und 1859 stand er im Dienst des Fürsten Carl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, als Erzieher und Lehrer für dessen Kinder. Schaefer unternahm mit seinen Zöglingen Bildungsreisen, unter anderem nach Italien, und konnte dank seiner Stellung Kontakte zur gehobenen Gesellschaft knüpfen. Sein Wissen über Kunst, Architektur und Malerei eignete sich Schaefer im Selbststudium an. Zudem betätigte er sich als Kunstsammler und -kenner. Ein Versuch in den diplomatischen Dienst einzutreten scheiterte. Schaefer kam 1864 nach Darmstadt und wurde 1869 auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Polytechnischen Schule Darmstadt berufen, den er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1902 innehatte.

Qualifikationsschriften

Keine bekannt.

Forschung

Schaefer war in erster Linie Mediävist. Seine Forschungsschwerpunkte lagen auf der Kunst und Architektur des Mittelalters, mit einigen Ausflügen in das Kunsthandwerk und die Malerei und ergänzt durch eine intensive Beschäftigung mit denkmalkundlichen Fragen. Während die frühe Publikation „Histoire de Hohenzollern au moyen age“ (erschienen auf Französisch in Paris, 1859) noch von seinem Hintergrund als Historiker zeugt, wandte er sich ab den ausgehenden 1860er-Jahren ausschließlich kunsthistorischen Themen zu. Seine erste größere Publikation auf diesem Gebiet behandelte die Elfenbeinsammlung des Großherzoglichen Museums in Darmstadt. Bald darauf gelang ihm ein besonderer architekturhistorischer Coup, als er einen in Steinbach bei Michelstadt gelegenen ehemaligen Sakralbau als die bis dato verloren geglaubte karolingische Einhardsbasilika identifizieren konnte. Dabei ist interessant, dass er seine Erkenntnisse weniger durch stilgeschichtliche Vergleiche gewann, sondern durch technologische Untersuchungen des Baubestands vor Ort. Möglicherweise wirkte sein neues Architektur-Umfeld hier inspirierend.

Lehre an der TH Darmstadt

In der Lehre deckte Schaefer den Zeitraum von der Antike bis in die Gegenwart ab. Er etablierte einen chronologisch aufgebauten Veranstaltungszyklus, den alle seine Nachfolger*innen in Variationen beibehalten sollten. Schaefer gab zwei zweistündige Lehrveranstaltungen pro Semester sowie eine daran anschließende Übung vor Originalen. Die Inhaltsangabe zu den Veranstaltungen in den Vorlesungsverzeichnissen blieb über Schaefers gut dreißigjährige Amtszeit nahezu identisch:

„Erster Jahreskurs. Im Wintersemester: Ursprung und erste Entwickelung der Kunst; Geschichte der bildenden Künste bei den Völkern des Orients und bei den Griechen. – Im Sommersemester: Geschichte der bildenden Künste bei den Etruskern und bei den Römern; Geschichte der altchristlichen und byzantinischen Kunst, sowie der Kunst des Islam. Zweiter Jahreskurs. Im Wintersemester: Erste Entwickelung der Kunst des christlichen Mittelalters; Geschichte der bildenden Künste im karolingischen Zeitalter, in der romanischen und gothischen Epoche. – Im Sommersemester: Geschichte der bildenden Künste vom Zeitalter der Renaissance bis zur Gegenwart. Zur Unterstützung der Vorträge über allgemeine Kunstgeschichte durch die nöthige Anschauung dienen einerseits die Lehrmittel des Polytechnikums, Zeichnungen, Kupferstiche, Photographien, Gypsabgüsse und dergl., andererseits schliesst sich unmittelbar an die einzelnen Vorträge die Erklärung der einschlägigen Kunstwerke im Grossherzoglichen Antikensaal, im Museum, in der Gemäldegallerie und im Grossherzoglichen Cabinetsmuseum, sowie die Vorlage der kunstliterarischen Werke der Grossherzoglichen Cabinetsbibliothek und die Erörterung der artistischen Prachtpublicationen über Architectur, Plastik, Malerei und Kunstgewerbe auf der Grossherzoglichen Hofbibliothek.“ – Programm der Grossherzoglich Hessischen Polytechnischen Schule zu Darmstadt für das Jahr 1870–1871, S. 42.

Rezeption / Wirkung

Schaefer war bestens in kunsthistorische Fach- und Laienkreise vernetzt und zugleich mit vielen Künstlern und Baumeistern, hier insbesondere Vertreter der Neogotik, bekannt. Er war Mitglied verschiedener historischer Vereine, über deren Zeitschriften er viele seine Aufsätze publizierte. In seiner Darmstädter Zeit wirkte Schaefer ab 1964 im Vorstand des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen, war Ehrenmitglied im Frankfurter Freien Deutschen Hochstift und Mitglied der Darmstädter Kunstgenossenschaft. Seine Expertise als Kunstsachverständiger für Gemälde Alter Meister oder Elfenbeine war in Darmstadt und darüber hinaus gefragt. Schaefer engagierte sich in denkmalpflegerischen Fragen und setzte sich hier im Sinne einer historisierend-ergänzenden Rekonstruktion beschädigter Bau- und Kunstdenkmäler ein. Schaefer gab den Anstoß zu einem illustrierten mehrbändigen Inventar der Bau- und Kunstdenkmäler (einschließlich „edleren Kunstgewerbes“) in Hessen. Drei dieser Bände, zu Offenbach, Erbach und Wimpfen, verfasste er selbst. Die Bildtafeln zu dieser Publikation trug sein Hochschulkollege Erwin Marx, ordentlicher Professor der Baukunde, bei.

Schaefer galt als strenger Lehrer. Seine katholische und monarchistische Haltung – er war Verfechter der großdeutschen Reichsidee – zog sich durch sein gesamtes Schaffen. Seine Biografie als Privatgelehrter und kunsthistorischer Autodidakt und auch die ‚Grand Tour‘ nach Italien an der Seite des Hohenzollerschen Prinzen weisen auf eine historische Ära vor der Etablierung der Kunstgeschichte als akademische Disziplin zurück. Aus heutiger Sicht bemerkenswert wirkt auch die Batterie an Titeln, die Schaefer seinem Namen in einigen seiner Publikationen hintanstellte: „Fürstlich Hohenzollerischer Hofrath, or. Professor der Kunstgeschichte an der Grossh. Technischen Hochschule zu Darmstadt, corresp. Mitglied der Königl. Portugiesischen Akademie der Wissenschaften, Ehrenmitglied des Historischen Vereines von Unterfranken zu Würzburg, Offizier und Ritter h. O. etc.“ Schaefers Lehre und Forschung zeugt zugleich von einem enorm breit gefächerten, epochen- und medienübergreifenden Interessensspektrum, das auch Ausflüge in außereuropäische Gefilde (er las und publizierte zum Beispiel zur islamischen Kunst) nicht scheute.

(Lisa Beißwanger)

Publikationsliste Hermann Schaefer, PDF (wird in neuem Tab geöffnet)

Lehrveranstaltungen im Fach Kunstgeschichte, Amtszeit Schäfer 1869–1903 (wird in neuem Tab geöffnet)

Quellen:

Hermann Schefers: Freund und Mittler des Schönen: Prof. Dr. Johann Georg Schaefer (1823-1908). Betrachtungen zu Leben und Werk, in: Robert Stalla (Hrsg.): Kunstgeschichte an Polytechnischen Instituten, Technischen Hochschulen und Technischen Universitäten. Geschichte – Positionen – Perspektiven. Wien 2021, S. 411-437.

Hermann Schefers: Johann Georg Schaefer, Professor der Kunstgeschichte (1823-1908), in: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde, Neue Folge 44 (1986), S. 433-444.

Nachfolger: Rudolf Kautsch