Alumnibotschafter zu Gast am Fachbereich

Dr.-Ing. Cuisong Qu von der Tongji Universität Shanghai im Gespräch

07.03.2017

Ende November 2016 hat das Alumni-Netzwerk der TU Darmstadt (https://www.tu-darmstadt.de/alumni/weltweit/botschafter.de.jsp) ehemalige internationale Studierende der TU Darmstadt zu einem Workshop zur Entwicklung eines Botschafter-Programms an die Universität eingeladen. Ziel des Workshops war es, die Alumni über aktuelle Entwicklungen an der TU und an den Fachbereichen zu informieren. Dem Aufruf folgten 15 internationale Alumni, darunter auch zwei Ehemalige unseres Fachbereichs: Prof. Dr.-Ing. Cuisong Qu aus China und Herr Yoram Steinitz aus Israel. Gemeinsam besuchten sie auch den Fachbereich. Wir haben mit ihnen über Ihre Eindrücke gesprochen.

Im Gespräch mit Dr.-Ing. Cuisong Qu

Prof. Dr.-Ing. Cuisong Qu hat ihr Architekturstudium an der Tongji-Universität in Shanghai abgeschlossen. Von 2000 bis 2003 promovierte sie am Fachbereich Architektur bei Prof. Johann Eisele (bis 2014 am Fachgebiet Entwerfen und Baugestaltung) über das Thema „Hochhäuser mit Mischnutzung“. In ihrer Arbeit vergleicht sie die Funktionalität gemischt genutzter Hochhäuser in Deutschland und China. Die ausführliche Untersuchung dieser ökologischen Planungsweise hat dazu beigetragen, dass neben der Lehre der Tragwerksysteme und Baumaterialien bei ihrer 2004 aufgenommenen Tätigkeit als Associate Professor an der Tongji-Universität Shanghai auch das energieeffiziente Bauen und ökologische Planung einen ihrer Schwerpunkte bildet. Im Rahmen dieser Tätigkeit veröffentlichte sie zudem die Bücher „Building Structure System & Shape Design“ (2012) und „Building Materials and Architectural Form Design“ (2014). Ihre dritte Publikation „Energy Efficiency Architectural Design“ ist Anfang 2016 erschienen.

Nach wie vor steht Frau Qu in engem Kontakt mit dem Fachbereich. Im Wintersemester 2015/16 hatte sie einen Lehrauftrag am Fachgebiet Entwerfen und nachhaltiges Bauen (Prof. Kuhn). Derzeit erarbeitet sie gemeinsam mit Studierenden der Tongji Universität und Studierenden der Fachgebiete Entwerfen und nachhaltiges Bauen und Entwerfen und Gebäudetechnologie (Prof. Joppien) einen Beitrag für den Solar Decathlon China 2018. 

Frau Dr. Qu, wieso haben Sie sich für die Promotion in Darmstadt entschieden?

Ich hatte mich damals auch für München und Stuttgart interessiert. Nachdem ich in Shanghai drei Jahre als freie Architektin gearbeitet hatte, kam mir 1998 die Idee, meine fachlichen und persönlichen Erfahrungen zu erweitern. Eine gute Möglichkeit dafür war eine Promotion. Auf meiner Suche nach Studienorten und Betreuern habe ich mich mit meinem Vorhaben an Professoren an der TU Darmstadt, TU München und der Uni Stuttgart gewandt. Jo Eisele hat mir gleich am nächsten Tag seine Zusage schickt. Als nach einem halben bzw. einem ganzen Monat die Zusagen der anderen Professoren kamen, war ich mit Jo Eisele bereits einem vertieften Austausch über den Inhalt der Promotion.

Sie haben Ihr Studium in China abgeschlossen. Welche interkulturellen Herausforderungen mussten Sie in Ihrer Zeit in Darmstadt meistern? 

Mir sind zahlreiche kulturelle und gesellschaftliche Unterschiede aufgefallen. Einer der auffälligsten davon war die Geschwindigkeit. In China herrscht Schnelligkeit. In Deutschland dagegen ist das Leben etwas langsamer. Daher denken, reagieren bzw. verhalten sich die Menschen in China und Deutschland unterschiedlich. Vor 15 Jahren war dieser Unterschied noch deutlicher spürbar.

Welche Rolle spielen Ihrer Ansicht nach Kenntnisse der deutschen Sprache für das Studium?

Eine sehr wichtige Rolle. Die Sprache ist der Schlüssel, mit dem man die Tür zu einer anderen Kultur öffnet. Architektur ist keine Sache, die ohne weiteres für sich existiert. Um sie wirklich zu verstehen, ist das Verständnis der Kultur, der spezifischen Umgebung, der sozialen Bedingungen und des geschichtlichen Kontextes sehr wichtig. Man sollte sich bewusst für das Studium der Architektur in Deutschland entscheiden.

Der Fachbereich Architektur hat – insbesondere im Master – zahlreiche Studierende aus China. Was sollten chinesische Studieninteressierte über den Fachbereich Architektur der TU Darmstadt wissen? 

Der Fachbereich Architektur der TU Darmstadt hat nach meiner Erfahrung eine technisch fundierte Ausrichtung, die künstlerische und kreative Bereiche der Architektur unterstützt. Das unterscheidet die Architekturausbildung in Darmstadt von anderen Universitäten. Das ist wichtig, und sollte von den Studieninteressierten geschätzt werden. Der zweite Punkt ist mein allgemeiner Vorschlag für die chinesischen Studieninteressierten: Seid offen für all’ das, was ihr nicht kennt. Am besten vergesst ihr, was euch vorher gesagt wurde und sammelt eure eigene Erfahrungen.

Die TU Darmstadt und die Tongji Universität verbindet eine enge Partnerschaft. Was sollten Studierende der TU Darmstadt, die sich für ein Auslandssemester in Shanghai interessieren, wissen?

Mein Vorschlag für die chinesischen Studieninteressierten gilt auch hier: Seid offen für neue Erfahrungen.

Sie sind Professorin für Architektur und Bauplanung an der Tongji-Universität in Shanghai. Wo sehen Sie die Unterschiede in der Architektur-Lehre an der TU Darmstadt und der Tongji Universität?

Erstens ist die Lehrstruktur eine andere – an der Tongji gibt es mehr Professoren, die in einem gemeinsamen Lehrstuhl (oder einer Fachgruppe)  eigene Lehrprogramme erstellen können. Die Studierenden haben dadurch eine größere Auswahl. Zweitens dauert das Architekturstudium an der Tongji für den Bachelor allein schon fünf Jahre mit umfangreichen Studienprogrammen, die jedoch mehr oder weniger auf einer quantitativen Akkumulierung aufgebaut sind. Fundamentale Kenntnisse wie Tragwerkslehre, Materialkunde und energieeffizientes Bauen erhalten leider noch nicht die nötige Aufmerksamkeit. Drittens: Aufgrund unterschiedlicher Schwerpunkte in der Bewertung, beherrschen die Tongji-Studierenden die digitale Darstellung besser als den Modellbau.

Vielen Dank.

Dr.-Ing. Cuisong Qu
Dr.-Ing. Cuisong Qu