Herausgegeben vom Fachgebiet Entwerfen und Städtebau (Prof. Nina Gribat)
In peripheren Lagen fast jeder Stadt finden sie sich: äußerst heterogene und vorwiegend gewerblich genutzte Gebiete, mit einer überdurchschnittlichen Anzahl von automobilgeprägten und flächenintensiven Gewerben und größeren und kleineren Box-Architekturen zwischen stark befahrenden Erschließungsstraßen. Peripherien also, teils in direkter Nachbarschaft zu zentral empfundenen Gegenden der Stadt, die oft auch Platz bieten für allerlei Nutzergruppen und Nutzungen, die dort ungestörter ihren Dingen nachgehen können als in reinen Wohnlagen oder die in solchen Randlagen schlicht und ergreifend mehr Platz für weniger Geld bekommen. Neben Recyclinghöfen, dem Müllheizkraftwerk, unzähligen Autohändlern und -dienstleistern, einem FKK-Saunaclub und diversen Fitnessstudios finden sich im Darmstädter Westen auch Veranstaltungsorte wie das weit über die Grenzen der Stadt bekannte Weststadtcafé und der Ponyhof.
Die Weststadt ist eine wilde zwischenstädtische Gegend, in der ein übergeordneter Gestaltungswille nicht erkennbar ist, die aber über die Jahre zum Sammelort vielfältiger städtischer Randnutzungen wurde. Zugleich stellt das Gebiet eine der wenigen innenstadtnahen Entwicklungsoptionen der nun zur smarten Schwarmstadt gewordenen Wissenschaftsstadt dar. Nur was für ein Stück Stadt kann oder soll hier entstehen? Die Darmstädter Weststadt wurde als ein möglicher Entwicklungsschwerpunkt der Stadt schon wiederholt diskutiert. 1995 stand das Gebiet als Ganzes im Fokus des 12. Darmstädter Gesprächs als die Stadt eine Handvoll bekannter Architekten wie Daniel Libeskind, Atelier 5 und Kees Christiaanse einlud, Entwicklungsvisionen zu erarbeiten und sie öffentlich im Rahmen eines thematisch fokussierten Symposiums zu präsentieren. Schon damals waren wesentliche Themen für den „Weststadtwandel“ die Integration von Wohnen und Arbeiten sowie eine prozessuale Entwicklung. Die Umsetzung verlief jedoch im Sande.
Im aktuellen Masterplanprozess DA2030+, der im September 2018 zuletzt öffentlich präsentiert wurde, tauchte das Gebiet wieder als einer der möglichen neuen Fokusräume für die Innenentwicklung auf. Mittlerweile haben sich die Rahmenbedingungen verschoben: einerseits hat sich die Wohnungskrise auch in Darmstadt deutlich verschärft und andererseits wurden mit der Einführung der „urbanen Gebiete“ – einer neuen Gebietskategorie der Baunutzungsverordnung – neue Voraussetzungen für eine stärkere Durchmischung von Wohnen und Gewerbe geschaffen. Mit dieser Masterthesis wollen wir aktuelle Beiträge zu einer höchst relevanten Fragestellung entwickeln. Denn: Für die Integration von Wohnen und Arbeiten, vor allem von produzierendem und teils auch störendem Gewerbe, gibt es in Deutschland kaum Beispiele. Innovative Lösungen sind also gefragt, die zwar speziell aus den Gegebenheiten des Darmstädter Westens entwickelt werden, aber aufgrund ähnlicher Gebietstypen und Problemlagen auch für viele andere Städte Modellcharakter entfalten können. Welche Quartierstypologien erlauben die größtmögliche urbane Vielfalt bei gleichzeitig hoher Aufenthaltsqualität? Wie sieht ein solches Zukunftsquartier aus? Außerdem sind strategische Entwicklungskonzepte gefragt, die über einen längeren Zeitraum wegweisend sein können.