Haus der Musik, Köln
Masterthesis Winter 2017/18

Herausgegeben vom Fachgebiet Entwerfen und Industrielle Methoden der Hochhaukonstruktion (Prof. Martin Bez)

Jeder Mensch hat einen persönlichen Bezug zur Musik. Es dürfte fast niemanden geben, der nicht in irgendeiner Form emotional durch Musik berührt wird. Musik unterhält, Musik bildet, Musik weckt Erinnerungen, Musik verbindet Menschen. Die gemeinsame Leidenschaft für Musik, ob all ihrer unterschiedlichen Formen und Facetten, ist in der Lage gesellschaftliche Grenzen zu überwinden. In der Musik liegt die Chance unserer von Individualismus geprägten Gesellschaft einen gemeinschaftsorientierten Impuls zu geben. Die Aufführungsorte von Musik spielen dabei eine sehr wichtige Rolle. Während die unterschiedlichen Gattungen der Musik längst einen Großteil ihrer Berührungsängste abgelegt haben, verharren die Konzertgebäude stets in alten Denkmustern. Heut zu Tage bedienen sich Rockmusiker oft klassischer Instrumentierung, renommierte Symphonieorchester spielen Populärmusik, die Grenzen der einstmals zementierten Parallelwelten musikalischer Schubladen haben sich aufgeweicht. Es ist eine wechselseitig bereichernde Situation in der Musikszene festzustellen. Nur die Architektur hat noch nicht nennenswert auf diese gesellschaftlichen Entwicklungen und die daraus resultierenden Chancen und das imense Potential reagiert. Thema für die diesjährige Masterthesis soll es also sein auszuloten, in welcher Form Architektur hier einen Beitrag leisten kann. Wie könnte ein Ort aussehen, an dem gleichzeitig musikalische Au ührungen unterschiedlichster Couleur statt nden? Das klassische Orchester soll dort ebenso gute Bedingungen vor nden, wie die internationale Jazzbigband oder der russische Männerchor. Das Jahresabschlusskonzert der Musik- schule ndet einen geeigneten Rahmen, genauso wie der Rockveteran aus den USA.

Die Kölner Stadtmitte wird durch den Kölner Dom geprägt, der das kulturelle und touristische Zentrum der Stadt ist. Das Domumfeld, das durch die Domplatte bestimmt wird, ist ausserdem ein wichtiger Treff- und Aufenthaltspunkt, da sich der Hauptbahnhof in unmittelbarer Nähe vom Kölner Dom befindet. Nord-östlich des Hauptbahnhofs befindet sich das zu bearbeitende Grundstück. Zwei Seiten bestimmen vorrangig dessen Charakter: Die eine Seite richtet sich zum Breslauer Platz hin, der einen Vorplatz zum Hauptbahnhof ausbildet. Die gegenüberliegende Seite orientiert sich zum Rheinufer, das durch die stark befahrene Konrad-Adenauer-Straße flankiert wird. Der Breslauer Platz hat eine besondere Bedeutung aufgrund seiner Nähe am Hauptbahnhof. Durch die städtebauliche Setzung des neuen Bausteins – dem Haus der Musik – entsteht eine zweite Platzsituation, die den Bahnhof, ebenso wie die Domplatte flankiert. An der Domplatte erlebt man den Dom als Hochpunkt in der Kölner städtebaulichen Struktur, während man am Breslauer Platz einen neuen Hochpunkt – das neue Haus der Musik – erlebt. Das neue Konzerthaus besteht aus einem dreiteiligen Volumen, das sich über das Grundstück von dem Breslauer Platz aus bis hin zu der „Flussseite” erstreckt. Die einzelnen Gebäudevolumen weisen eine ähnliche Grundfläche auf, unterscheiden sich aber in ihren Höhen, wodurch sie einerseits auf die zwei verschiedenen Gesichter des Grundstücks reagieren, sich andererseits aber durch ihre Höhenversprünge gut in die heterogene städtebauliche Struktur Kölns einfügen. Das Gebäudeensemble wird durch das Kommerz-Hotel ergänzt, welches einen ähnlich quadratischen Grundriss mit einer Innenhofsituation aufweist und die Höhe des Konzerthaus-Volumens aufnimmt. Die Freiflächentopografie, die einen Höhenunterschied von sieben Meter aufweist, wird neu gestaltet und reagiert somit auf die neue Bebauung. Die Fläche unterteilt sich in drei Ebenen, die sich an die drei Volumen anpassen und einen Aufenthaltsbereich sowie Fluchtmöglichkeit für die Besucher des Konzerthauses darstellen. Die mittlere Ebene dient ebenso der Erschließung des für die Besucher unzugänglichen Künstlerbereichs sowie des Hotels. Treppenlandschaften prägen die neue Freiflächengestaltung als Übergang in die verschiedenen Ebenen. Die Nord-Ost-Seite des Grundstücks bleibt weiter barrierefrei und weist eine Verkehrsinsel auf, die der Anlieferung im Gebäude dient.

Gebäudestruktur

Das prägende in der Gebäudestruktur des neuen Konzerthauses ist seine Split-Level-Bauweise in den ersten Geschossen, die in erster Linie die optimale Überwindung des Höhenunterschiedes auf dem Gelände ermöglicht, aber auch eine spannende innenräumliche Situation für die Besucher darstellt. Alle Gebäudeteile werden ebenerdig von dem umgebenden Gelände aus erschlossen und bieten die Möglichkeit, das Gebäude von jeder Seite aus auf eine interessante Weise zu erleben. Der Haupteingang befindet sich am Breslauer Platz, in dem höchsten Bauvolumen. Von dort aus gelangt man in ein großzügiges Foyer, von welchem aus man in alle drei Säle gelangen kann. Der große Saal befindet sich in demselben Baukörper, direkt über dem Foyer und wird über zwei repräsentative Treppenhäuser in alle seiner Ebenen erschlossen. Der kleine Saal befindet sich in dem mittleren und kleinsten Baukörper, während der mittlere in dem zum Fluss hin ausgerichteten Volumen zu finden ist. Beide befinden sich zentral in den jeweiligen Geschossen und bieten dem Besucher um den Saal herum Aufenthaltsbereiche, die sich in Form von Sitz- und Ausblicknischen zwischen der raumbildenden Sichtbetonträgern ausdrücken, und welche gleichzeitig die Erschließung in Längsrichtung des Gebäudes darstellt. Beide Säle sind als „Blackbox” organisiert und bieten somit komplette Flexibilität in ihrer innenräumlichen Gestaltung, die für die vielfältigen Veranstaltungen ein Muss ist. Darüber hinaus verfügt das Gebäude über ein Restaurant und ein Café, über das der Besucher von dem Konrad-Adenauer-Ufer aus in das Restaurant gelangt. Außerdem bietet der mittlere Baukörper die Möglichkeit, auf das Dach zu gehen und von dort den Blick auf den Kölner Dom zu genießen.
Der große Saal löst sich mit seiner Form völlig von dem Rest des Gebäudes ab. Während das Konzerthaus sehr geometrisch und strukturiert geplant ist, weist der für 1200 Besucher geeignete und in dem Weinberg-Prinzip geplante Saal eine fast organische Form auf. Somit kann der Besucher Abstand von dem Außenraum und dem Rest des Gebäudes nehmen, etwas völlig anderes erleben und das musikalische Erlebnis vollkommen genießen. Der Saal weist insgesamt vier Ebenen auf, die sich auf unterschiedliche Höhen befinden und welche die Gestalt des Saals wesentlich prägen. Die Bühne befindet sich, im Gegensatz zu den üblichen Konzertsälen, im Zentrum, welches die klassische, zweiteilige Trennung von Bühne und Zuschauerraum auflöst und den Besuchern die Möglichkeit gibt, die Künstler und deren Musik zu umgeben.

© Gergana Bracheva

© Gergana Bracheva

© Gergana Bracheva

© Gergana Bracheva

© Gergana Bracheva

© Gergana Bracheva

© Gergana Bracheva

© Gergana Bracheva

© Gergana Bracheva

© Gergana Bracheva

Im Zentrum des Entwurfs steht der stille Diskurs von typologisch determinierter Form und formal bedingter Typologie. Kann die äußere Form Produkt einer innenräumlichen Konzeption sein, oder wird der Typus zur funktional ertüchtigten Form?
Die Entwurfsmaxime von Architektur und gefrorener Musik, frei von A. Schopenhauer, ist Konzept und Provokation zugleich, verhandelt wird an der Bauaufgabe einer Neuinterpretation des Konzerthauses. Am Standort Kölner Hauptbahnhof kommunuziert der Entwurf eines ungerichteten Solitärsin skulpturaler Manier mit dem Stadtraum und findet als freie Setzung im heterogenen Raum zwischen Bahndamm, Rheinufer und Bahnhofsplatz seine Bestimmung.
Wo die namentliche Verquickung von Architektur und Musik, Pate fpr einen ganzheitlichen Ansatz steht, da übt sich der Neubau in der Verschmelzung von Struktur und Atmosphäre – einer stets architektonischen aber ebenso künstlerischen Laison. Es liegt im Wesen des Entwurfs, dass das Haus der Musik den für gewöhnlich kokonartigen Konzertsaal auflöst, ihn bis an die Raumgrenzen des Gebäudes heranführt – der eine Körper, die eine Funktion, unter einer Hülle.

© Roman Köbel

© Roman Köbel

© Roman Köbel

© Roman Köbel

© Roman Köbel

© Roman Köbel

© Roman Köbel

© Roman Köbel

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Leitgedanken

In meiner Auseinandersetzung mit der Entwurfsaufgabe haben sich drei zentrale Motive entwickelt: Erstes und stärkstes Bild ist der Straßenmusiker als niederschwellige, weit verbreitete und Socialmedia-taugliche Form der Musikdarbietung.
Das zweite Motiv ist die Komposition, die in der Musik, wie auch in der Architektur, mit den Grundelementen Rhythmus und Takt Spannung erzeugt.
Drittes Motiv ist die Selbstverständlichkeit des Raums, die die Niederschwelligkeit unterstreicht. Ein Raum, der rein durch seine räumlichen Attribute eine Ablesbarkeit der Funktion entwickelt.

Städtebauliche Einordnung

Auf der Nordseite des Kölner Hauptbahnhofs gelegen, erstreckt sich das Grundstück zwischen dem Breslauer Platz (Bahnhofsvorplatz) und den Fähranlegern am Rheinufer. Neben dem Kölner Dom gehört das Grundstück zu den Ausblicken, die man von der Hohenzollernbrücke beim Einfahren in den Kölner Hauptbahnhof als erstes wahrnimmt. Der Entwurf schlägt eine Bebauung vor, die den Breslauer Platz um eine Platzkaskade zum Rheinufer hin erweitert. Diese wird südlich durch das „Haus der Musik“ und nördlich durch das Hotel und Kongresszentrum gefasst. Durch die terrassenförmige Anordnung der Plätze wiederholt der Freiraum das Spiel zwischen Bühne und Tribüne, wodurch sich der Freiraum hervorragend für musikalische und andere Darbietungen eignet. Der Platzkaskade wird durch einen Pavillon mit variabler Nutzung gefasst und bespielt. Hier sind Konzerte, Public-Viewing-Kunst und Cafe denkbar.

Typologie

Das neue „Haus der Musik“ Köln lässt sich in drei zusammenhängende Gebäudeteile untergliedern, deren definierendes Element der Konzertsaal ist. Dieser wird von einer Raumschicht aus dienenden Funktionen umhüllt. Zum Platz gewandt liegen die Foyers, zum Bahnhof gewandt die Backstagebereiche.
Der Gast betritt das Konzerthaus vom Platz aus und findet im Foyer Garderobe und Bar. Den Saal betritt er vom Foyer aus. In der Pause kommt er von dort in den niedrigeren verbindenden Gebäudeteil, in dem er die dienenden Räume findet. Der Künstler betritt das Haus der Musik durch die dem Bahnhof zugewandte Seite. In der Raumschicht auf der Rückseite der Säle findet er Umkleiden und Stimmzimmer. Der Backstagebereich liegt zwischen den Sälen, über den breiten verbindenden Flur kommen die Künstler in den Konzertsaal.

Ausdruck

Das, im musikalischen Sinne, Thema des Entwurfs orientiert sich an einer Idee von Yannis Xenakis, die er für das Kloster La Tourette anwandte: Der Pans de verre Ondulatoire . Dafür werden Dynamik und Tempo in der Musik in Enge und Weite verschiedener Strukturen umgesetzt. Dieses Thema findet sich in allen Bereichen des Gebäudes wieder. In der Fassade als Pfosten und Riegel, im Konzertsaal als Profilierung der Wände, in den Stimmzimmern und Büros als Akustikpaneele. Von außen wirkt die Fassade als Filter vor dem rohen Beton des Konzertsaals. Im Foyer verschwimmt durch die Leichtigkeit der Fassade die Grenze zwischen Foyer und Außenraum. Im Konzertsaal treten Muster und Material in Kombination auf und erzeugen eine wesentlich dichtere Atmosphäre.

Konstruktion & Materialität

Der Konzertsaal ist mit seinem hohen Lasteintrag der massive Teil des Gebäudes. Er ist in Stahlbeton ausgeführt. Die große Spannweite wird durch Stahlträger gewährleistet, die ihre Last über die massiven Wände des Konzertsaals abtragen. Das Foyer ist in Leichtbauweise ausgeführt. Die in schwarzem Aluminium verkleidete Pfosten-Riegel-Fassade ist tragend ausgebildet.
Der Riegel auf der Rückseite des Gebäudes hat eine mit Stehfalzblech verkleidete Lochfassade, die in ihrem Ausdruck das Thema des Hauses aufnimmt.
In den Sälen wird durch zwei verschiedene Hölzer die profilierte Oberfläche des Saals erzeugt. Durch die Profilierung der Wände entsteht die nötige Reflektionsfläche.

© Jonathan Schmidt

© Jonathan Schmidt

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© Jonathan Schmidt

© Jonathan Schmidt

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