Instituto Flamenco
Masterthesis Winter 2017/18

Herausgegeben vom Fachgebiet Entwerfen und Gebäudetechnologie (Prof. Anett-Maud Joppien)

Die Entwurfsaufgabe thematisiert den Tanz als universelle Ausdrucksform menschlicher Kultur am konkreten Beispiel einer Ausbildungsstätte für den Flamenco. Das zu planende Institutsgebäude ergänzt im Herzen der Altstadt die Vielzahl bestehender Ausübungsorte in Sevilla, einer Stadt, die wie keine zweite in der Tradition des Flamencos steht und die dessen drei Elemente – den Tanz, den Gesang und die Gitarrenmusik – im Stadtbild allgegenwärtig und selbstbewusst nach außen trägt.

Die Gestaltung einer professionellen Flamencoschule, in der alle drei Bestandteile des Tanzes in einem gemeinsamen Gebäude unterrichtet und dargeboten werden sollen, bietet im Rahmen der Entwurfsbearbeitung umfangreiche Möglichkeiten die Wechselbeziehungen zwischen menschlichem Körper und umgebenden Raum zu untersuchen. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den für den Flamenco typischen Themen wie Bewegung, Klang, Inszenierung und Präsentation ist sowohl funktional, als auch sinnlich in eine räumliche Ausprägung zu überführen. Darüber hinaus ist ein architektonischer Ausdruck zu entwickeln, in welcher Form sich das Gebäude einerseits angemessen zum Stadtraum präsentieren und andererseits vor dem extrem heißen Stadtklima Sevillas schützen kann.

La Fabrica del Flamenco

Mit der Fabrica del Flamenco erhält der in Andalusien verwurzelte Flamencotanz in der Hauptstadt Sevilla eine bauliche Identität. Der Neubau schließt die letzte verbliebene Baulücke an der Plaza de la Encarnación und gibt den verschiedenen ethnischen und kulturellen Strömungen des Flamencos einen gemeinsamen Raum.

Die systematische Grundidee des Entwurfs bildet ein mehrgeschossiges Foyer, welches die Aktionsräume aller Nutzergruppen durch Blickbeziehungen miteinander verknüpft. Eine Sequenz von Raumebenen entwickelt sich von der Erdgeschosszone aus spiralförmig nach oben und führt schließlich zum großen Übungssaal, welcher sich durch seine Kubatur von den Nachbargebäuden abhebt. Bei der Zirkulation durch das Gebäude entsteht ein Übergang vom öffentlich genutzten Eingangsbereich hin zu den privaten Studienräumen im Obergeschoss. Die aufwärtsgerichtete Raumsequenz wird mittels zweier Terrassen auch in der Dachlandschaft ablesbar. Gleichzeitig bilden die begehbaren Dachgeschosse eine stilistische Annäherung an die andalusischen Stadthäuser.

Um die entwurfliche Intention eines offenen Raumgefüges konstruktiv zu verwirklichen und bei hohen Spannweiten einen möglichst stützenfreien Raum zu generieren, sind die Geschossdecken als Stahlbeton-Trägerroste ausgebildet. Diese werden von fünf aussteifenden Wandscheiben getragen, die einen zentralen Luftraum aufspannen, welcher von einem Oberlicht gekrönt wird. Mittels Pivot Türen in der Erdgeschosszone kann die Frischluft-Zirkulation an die Nutzungsanforderung des Innenraumes angepasst werden. Neben ihrer statischen Relevanz dienen die Wandscheiben als Orientierungshilfe bei der vertikalen Erschließung des Gebäudes. Die primären Verkehrswege der Fabrica del Flamenco verlaufen entlang der Wandscheiben und vereinen sich so mit der Tragstruktur. Durch die Schaffung von Innenhöfen entstehen verschattete Rückzugsorte im Freien, welche die um das Foyer organisierten Volumen zusätzlich mit Tageslicht versorgen und eine ausreichende Durchlüftung ermöglichen.

Die Fassade bildet das vermittelnde Element zwischen Außenraum und der konzeptionellen Gewichtung des Innenlebens. Die herausgearbeitete Tiefe der Fassadenebene geleitet den Betrachter aus dem Stadtraum ins Gebäudeinnere, während gleichsam ein diskreter Abstand zu den fassadenständigen Übungsräumen der Tänzer gewahrt wird. Darüber hinaus entsteht ein tektonischer Sonnenschutz, welcher den strukturellen Aufbau des Gebäudes nach Außen kehrt und den Eingangsbereich optisch hervorhebt. Die Ausgestaltung und Materialität der Fassade in Sichtbeton und Baubronze vereint choreographische Disziplin mit selbstbewusster Eleganz. Mit der Fabrica del Flamenco entsteht im Herzen Sevillas ein Ort des kreativen Austausches, der die unterschiedlichsten kulturellen Strömungen des Flamencos zusammenführt, ihnen eine repräsentative Plattform bietet und Raum für spontane Begegnungen lässt.

Manon Jochem

Erster Platz bei den Baunetz Campus Masters im Juni 2018.

© Manon Jochem

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