Rausgeh4tel
Masterthesis Winter 2020/21

Hrsg. vom Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung (Prof. Dr. Annette Rudolph-Cleff)

Bochum ist großartig! Eine große Anzahl hochwertiger Bauten aus den 1950er und 1960er Jahren mit ihren zugleich feinsinnigen und zurückhaltenden Fassaden stehen in scheinbar von Toleranz geprägtem Duktus neben neueren Architekturen, teilweise auch Bausünden der Folgejahrzehnte.
Das Sammelsurium im Zentrum dieser Großstadt mitten im Ruhrgebiet zwischen Essen und Dortmund erscheint als städtebauliche Konfiguration seltsam harmonisch und in all seinen Widersprüchen erstaunlich ausbalanciert.
In zentraler Lage zwischen HBF, Schauspielhaus, Union-Kino und Fußgängerzone hat sich das wohl bekannteste Kneipenviertel im Ruhrgebiet herausgebildet, mit kleinen und großen Events. Das Bermuda3E ist bereits ein weithin sichtbarer Hot-Spot der Live Kultur. Die Frage nach der Weiterentwicklung des Bermuda3E stellt sich jetzt nicht nur im Rahmen der Themenbereiche des ISEK, sondern auch in der Frage nach der Postpandemischen Stadt.

Die Aufgabe behandelt eben jenes Bermuda3Eck (i.F. B3E), B3E fragt nach gestalterischen Lösungen für das Quartier, die vorhandene Projektideen, bereits identifizierte Handlungsfelder und insbesondere Perspektiven einer postpandemischen Live-Kultur in einer städtebaulichen Vision bündeln.
Orientierung bieten dabei die Leitbilder, die für Bochum 2030 erarbeitet wurden. In der „Strategie 2030“ und „Bochum 2030 – Vision Innenstadt“ sind Zielbilder und Schwerpunkte beschrieben, die als Maßgabe zukünftiger Aktivitäten dienen können. Die strategischen Ziele lassen viel Offenheit für die Diskussion mit der Bürgerschaft und die Entwicklung der zukünftigen Kernaktivitäten.

Das Neben- und Miteinander von Hoch- und Alltagskultur sowie von institutionalisierter Kultur und freier Szene wird als Inspiration und Identifikation in der Stadt verstanden: Die lebendige Kulturszene und ihre Initiativen sollen genutzt werden, um den Kulturraum für Kreative zu stärken. Das Ziel, sich im Zuge der Digitalisierung nicht nur kreativen Milieus und Orten, sondern auch virtuellen Räumen zu öffnen, wird in der Strategie 2030 betont.
Für das Bermuda3Eck stehen in Bochum 2030 – Vision Innenstadt die Themen der „Stadt des produktiven Wissens“ und des „vernetztes Stadtleben“ im Mittelpunkt.

Eindrücke

Das Bochumer Innenstadtquartier – das Bermuda 3Eck- stellt an der Südspitze der Innenstadt ein überregional bekanntes Kneipenviertel dar. In den Erdgeschossen überwiegt demzufolge die gastronomische Nutzung. Eine der Besonderheiten des Quartiers ist, dass die Betriebe sich zum größten Teil in einer inhabergeführten Struktur befinden. Mit über 60 Gastronomiebetrieben und 7.000 Sitzplätzen im Innen- sowie Außenraum, zählt das Viertel etwa 4.000 Besucher im Jahr.
Weitere gewerbetreibende Akteure sind Einzelhandel- und Dienstleistungsbetriebe, gefolgt von ein paar wenigen kulturellen und sozialen Einrichtungen. Der Schwerpunkt des Quartiers liegt demnach in der freizeit- und konsumbezogenen Nachtökonomie. Das kulturelle Angebot und das Quatiersmanagement, lehnen sich an die Maßnahmen des Business Improvement District an.
Die baulichen Strukturen sind durch die Zeit der 50/60er Jahre geprägt und weisen eine schlichte, aber gleichzeitig bunte Fassadenvielfalt auf. Bei den Dachformen handelt es sich um eine Mischung aus Sattel- und Flachdächern. Die kleinteilige Bebauungsstruktur weist mehrere Baulücken auf, die sich zu ein- bis zweigeschossigen Nischen im Straßenraum öffnen. Die Fassaden und Unterführungen werden für Street-Art genutzt, die ein fester Bestandteil des Quartiers sind.
Die momentane vorherrschende monofunktionale Nutzung bestimmt bzw. schränkt die Uhrzeiten und die Arten der Aktivitäten im Quartier ein.

Ziele

Um eine Stadt zukunftsfähig zu gestalten, ist es zwingend erforderlich – auf die Diversität Ihrer Bewohner einzugehen. Einer Verständigung auf die Grundwerte, wie Teilhabe, Verantwortung, Naturschutz, Toleranz und nicht zuletzt die Kreativität, soll ein hohes Maß an Beachtung geschenkt werden. Im Blick auf diese Werte sind aus meiner Sicht städtische Räume zu gestalten, sowohl im dichten baulichen Kontext wie auch in der Gestaltung von Frei- und Grünräumen. Es geht um die Zugänglichkeit und die gesellschaftliche Teilhabe an Räumen, die für unser Zusammenleben und unsere Kultur prägend sind.

„Eine Kultur sei ein System, in dem sich gewisse Variablen gegenseitig beeinflussen, die zu Zwecken der Analyse in Form von Subsystemen (Bios, Persönlichkeit, Ideologie, Ästhetik, Sozialstruktur, Technoökonomie, Umwelt) zusammengefasst werden können.“

T. Bargatzky (1889)

Durch die Integration von neuen Angeboten – die den Bereich der Kultur stärken, hier speziell aus dem Bereich der Kunst gewählt, entsteht ein Quartier das von Morgens bis Abends gelebt und erfahren werden kann. Anknüpfend an das bestehende Kulturangebot, das sich auf Film und Musik konzentriert, wird das Raumprogramm für bildnerischen, darstellenden und literarischen Kunstgattungen ergänzt. Die neu entstehenden Räume sind multifunktional nutzbar. Diese sollen den Professionellen, den Heranwachsenden und Laien bei einem Workshop zur Verfügung stehen, sowie der Mitbenutzung durch die Gastronomiebetriebe für die Erweiterung von Events und Veranstaltungen.

Konzept Kultur

Das Konzept „Schaufenster zum Mitmachen“ sieht vor, die Kunst als ein Parameter der Partizipation sowie der Diversität im städtischen Gefüge erfahrbar zu machen. Die Kunst kommt zum Publikum und schafft damit mehr Betrachtung und Erfahrbarkeit im städtischen Kontext. Die neu entstehenden Räume sollen den baulichen Typologien der Künste (Atelier, Saal, Studio) entsprechen, sich dem Stadtraum offen, repräsentativ, transparent präsentieren und die Produktivität sowie Entfaltung der Mitwirkenden spürbar machen und vor allem zum Mitmachen einladen.
Workshop – ist in diesem Konzept eine neue Definition für Teilhabe. Die Kreativen – kreieren Veranstaltungen und lassen Jung und Alt an der Musik, dem Tanz, dem Film, der Malerei und Bildhauerei sowie der Literatur teilhaben. Hier soll an den eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten erprobt, geübt und entfaltet werden. Anknüpfend an den offenen und öffentlich zugänglichen Innenraum sollen im Außenbereich Plätze definiert und zugänglich gemacht werden, welche eine Verlagerung der Aktivitäten in den Freiraum erlauben und zusätzliche Ausstellungsflächen bieten. Die Straße wird zur Leinwand und Galerie, zum Atelier und Labor. Neben der stark vertretenden Street-Art Szene im Quartier und Umgebung kann hier lokal durch Produktivität und Performanz zur zeitgenössischen visuellen Sprache und Ausdruck einer Stadt kulturell gearbeitet werden.
Gerade jetzt in der schweren Zeit der Pandemie machen wir als Gesellschaft eine Erfahrung, die uns die Chance gibt, in einigen Teilbereichen die Gesellschaftsstrukturen neu zu denken und die damit verbundenen städtischen Räume in ihrer Organisation und Planung neu zu entwickeln.
Durch eine multiple Nutzung der Räume sollen diese neben der kreativen Szene auch den aufstrebenden Start-Up-Unternehmen und städtischen Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Die flexibel nutzbaren Räume bieten die Möglichkeit für temporäre Aktionen und dauerhafte Nutzungen. Im städtischen Zusammenhang eröffnen sich im Quartier Orte für die Kooperation und Austausch mit den Nachbarschaften in Bochum, die hier die Flächen und das Equipment nutzen können. Dazu zählt im Besonderen auch das Musikforum mit dem eingebunden Kirchenchor.

Konzept Begrünung

Als zweites Ziel ist die Reaktivierung der Grünflächen geplant. Städtische Grünstrukturen sind im Bezug auf das Stadtklima und die Luftqualität im urbanen Umfeld unerlässlich. Außer einer wirksamen Gesundheitsvorsorge, machen sie das Wohnumfeld attraktiver und schaffen Räume für Begegnungen und Teilhabe. Die vorhandenen versiegelten Straßenräume sowie die stark versiegelten Innenhöfe stellen noch eine graue und menschenfeindliche Umgebung dar. In Anbetracht der heutigen Zeit, die sich mit pandemischen Herausforderungen beschäftigt, ist das Gastronomie- und Veranstaltungsgewerbe gefordert, neue Konzepte zu entwerfen. Eine naheliegende Maßnahme, um die vorhandene Gastronomie zu stärken, ist eine behutsame Freistellung der versiegelten Hofstrukturen. Die Akteure werden zur Mitgestaltung an der Öffnung und Begrünung der Innenhöfe im Sinne eines Hygiene- und Ökologieaspekts eingeladen.
Es sollen Rückzugsbereiche für die Anlieger, Bewohner und mit Einschränkungen auch für die Gastronomie entstehen. Um einer zusätzlichen Lärmbelastung für die Nachbarschaft vorzubeugen, ist ein angemessenes Maß für die Ausweitung der Gastronomie auszuloten.
Die vorhandenen graue Flachdachflächen sollen mit extensiven und auch intensiven Dachbegrünung versehen werden, zu grünen Terrassen und attraktiven Außenräumen gestaltet werden und somit an das Konzept der Partizipation und Teilhabe im Innenraum des Viertels bis in den Außenraum weiter tragen.

Konzept Verkehr

Die vorhandene Erschließungsstruktur unterliegt dem Zeitgeist der 50/60er Jahre, einer autogerechten Stadt. Eine vierspurige nord-süd Verbindung sowie eine ost-west verlaufende Nebenstraße durchqueren das Quartier und priorisieren in ihrer Gestaltung den Autoverkehr. Die Parksituation entlang der Straßen überlappt sich mit den Fußgängerwegen und bildet somit eine Barriere zwischen Straßen und Gehwegen. Da die parkenden Autos den öffentlichen Straßenraum für sich unbegrenzt einnehmen, wird eine multifunktionale Nutzung verhindert.
Um die Intervention der Kultur im Quartier zu stärken, die mehr verkehrsberuhigte Straßenräume benötigt, wird die bestehende Ost-West-Verbindung, in Form einer Nebenstraße, zum Fußgängerbereich erweitert und zur anlieger- und taxifreien Zone umstrukturiert. Da der öffentliche Straßenraum Schnittstelle vieler Planungsebenen ist und allen Bevölkerungsgruppen Raum zur Teilhabe und zum Aufenthalt geben soll, wird die Notwendigkeit der Erarbeitung einer Hilfestellung für die Politik und Verwaltung zur Gestaltung von elendigen Straßenräumen gesehen.

Kulturkaribik

„Recht auf Zentralität, als den Zugang zu den Orten des gesellschaftlichen Reichtums, der städtischen Infrastruktur und des Wissens; und das Recht auf Differenz, das für eine Stadt als Ort des Zusammentreffens, des Sich-Erkennens und Anerkennens und der Auseinandersetzung steht […] Es beschränkt sich nicht auf die konkrete Benutzung städtischer Räume, sondern umfasst ebenso den Zugang zu den politischen und strategischen Debatten über die künftigen Entwicklungspfade. Das Recht auf die Stadt orientiert sich an den utopischen Versprechungen des Städtischen und reklamiert ein Recht auf die schöpferischen Überschüsse des Urbanen“

- Andrej Holm, Dirk Gebhardt: Initiativen für ein Recht auf Stadt. Theorie und Praxis städtischer Aneignung. Hamburg 2011

Die „Überschüsse des Urbanen“ sind Kernthema dieser Arbeit. Um diese zu erzeugen, müssen Akteur*innen gestärkt, Strukturen des Verwaltens und Entscheidens reformiert und räumliche Qualitäten herausgearbeitet werden. Die im Folgenden vorgestellten Maßnahmen sorgen dafür, dass – in Zeiten von Corona – ein Stadtteil die Voraussetzungen schaffen kann, Diversität von Nutzer*innen und die Demokratisierung von Nutzungen zu fördern. Der hierfür notwendige Raum wird auch durch eine Neuordnung der Parkinfrastrukturen in die umliegenden Neubauprojekte gewährleistet. Die notwendige Teilhabe und Legitimierung wird durch ein genossenschaftliches Quartiersmanagement ermöglicht, das Stadt, Locals, Gewerbe und Kulturnetzwerk einbindet.
Selbstverwaltung und Quartiersmanagement: Die ISG Bermuda3eck schafft Einzigartiges im Bochumer Zentrum und ist der Grundstein einer selbstverwalteten Nachbarschaft. Durch ihre Erfahrungen und Netzwerke fungiert sie als Katalysator für bottom-up Stadtentwicklungsprozesse zur Einbindung aller lokalen Stakeholder sowie als einzigartiger Standortfaktor für Bochum.
Das Parkhaus als Drittort: Die gewerbestarke Struktur und der Wille zur Andersartigkeit der Locals eröffnen Chancen das Bermuda3eck zu einem Experiment der Selbstverwaltung auf Quartiersebene zu machen. Durch das Sichtbarmachen und Raumgeben von Kunst- und Kulturschaffenden, die sich in ein stadtweites Netzwerk aus Kulturorten einbinden, wird ein Gegengewicht zu kommerziell agierendem Nutzer*innen geschaffen. Die dadurch entstehende Diversität und der offensichtliche Gegensatz machen das Quartier besonders attraktiv. Das Bermuda3eck wird hierfür das Herz der sich neuformierenden, stadtteilüberspannenden Kulturkaribik. Der öffentliche Raum vom Konrad-Adenauer-Platz bis zum Südring wird zur Spielfläche von Kultur, Kunst und Nachtleben. Das Parkhaus im Bermuda3eck wird transformiert und schafft kosteneffizienten Raum für Künstler*innen, Handwerker*innen und Anpacker*innen an prominenter Stelle. Die nicht mehr zeitgemäße, große, monofunktionale Raumnahme des Parkhauses wird repariert und gibt Bochum einen einzigartigen Ort der Identität von unten. Ein neutraler Raum um die rückwertige Rampe ermöglicht Experiment und Erholung des Quartiers und bedarfsweise weitere Flächen für Kulturveranstaltungen. Die öffentliche Erschließung der fünften Fassade rundet die Transformation ab und lässt bereits von den Gleisanlagen die Besonderheit des Ortes erahnen.
Bewohner*innen stärken: Die besondere, sehr stark aufs öffentliche fokussierte Nutzungsstruktur machte es schwierig die Rolle der Wohnnachbarschaft im Raum zu spiegeln. Der alternative Stadtteilcharakter wird zur Stärkung ebendieser zur Tugend gemacht. Indem neue Wohntypologien mit dem Fokus auf nichtgenerisches Leben hinzugefügt werden, wird ein Fokus auf die Verschränkung von Leben und Schaffen im Quartier gelegt. Der neue Freiraum im Hinterzimmer schafft Platz zum Zurückziehen und für zufällige Begegnungen der Wohnnachbarschaft. Die Möglichkeit für Anrainer*innen sich am Hinterzimmer zu beteiligen, steht immer offen und ist Teil des Prozesses der Weiterentwicklung des Quartiers.
Quartiersgrenzen sprengen: Eine Verzahnung durch wesensnahe Bausteine, sogenannte Quartiersbotschafter, in die angrenzenden Stadtteile, öffnet das Quartier durch das Kulturnetzwerk stärker in den Rest Bochums. Die Ränder werden räumlich verstärkt und geöffnet, um den Sprung über die stark befahrenen Straßen zu vereinfachen.

“Kreativlandschaft”

AUSGANGSPUNKT & KONZEPTIDEE

Das Bermuda3Eck in Bochum ist ein überregionales Aushängeschild der (R)Ausgehkultur im Ruhrgebiet. Dennoch ist eine Neuorientierung aufgrund der städtischen, kulturellen und sozialen Entwicklungen der vergangenen Jahre erforderlich, um das zukünftige Nutzungsprofil des Bermuda3Ecks zu definieren.
Die Vielzahl von kulturellen Angeboten in direkter Umgebung und das Bestreben der Förderung von kreativen Milieus in verschiedenen Visionen für die Bochumer Innenstadt zeigt das Handlungspotential im Bereich der Kreativwirtschaft auf.
Der Ansatz dieser Arbeit vereint das Alleinstellungsmerkmal und den pulsierenden Charakter des Bermuda3Ecks mit der Identität als kreativer Hotspot. Ein spannungsreiches, experimentelles Miteinander von Hoch- und Alltagskultur sowie von vorhandenen Kultureinrichtungen und freier Szene fördern das ausgeprägte Klima der Inspiration und Kreativität in der Stadt.
Das gewählte Konzept betrachtet die Entwicklung eines attraktiven Lebensumfelds für die Kunst- und Kreativszene als nachhaltigen Standortfaktor im Bermuda3Eck in Bochum. Kommunikative Treffpunkte und vielfältige Experimentierräume für kreatives Lernen und Arbeiten sollen dabei bewusst gefördert werden.

ENTWURFSZIELE

Vorrangiges Entwurfsziel ist die (Re)Aktivierung von ungenutzten Innenhof- und Dachflächen als gemeinschaftliche und vielseitige Austauschräume unter Einbeziehung der bestehenden Stadtstruktur. Umgenutzte, aktuell leerstehende, Gebäude werden sowohl baulich als auch funktional durch Neubauten ergänzt. Experimentelle Wohn- und Arbeitsräume sollen kurz- als auch langfristig in vielfältigen Konstellationen genutzt werden können. Dadurch entwickelt sich das Bild des Kreativstandorts Bermuda3Eck kontinuierlich weiter und es spiegelt gleichzeitig die Spuren seiner Nutzer wieder – “aber g'rade das macht dich aus”.
Das ehrliche und ungeschminkte Bild des Bermuda3Ecks, welches auch von Herbert Grönemeyer in seinem Lied „Bochum” besungen wird, ist durch das informelle Netzwerk sichtbar und schafft Einblicke in das bunte Treiben in den Innenhöfen. Eine ausgewogene Mischung aus privater Nutzung bis hin zu öffentlichen Erholungs- und Bewegungsflächen sind Teil des städtebaulichen Rahmenprogramms.
Insgesamt sollen die geschaffenen Orte nicht mit der Kortumstraße als Konsumfläche und Ausgehmeile in Konkurrenz treten, sondern das gesamte Viertel bereichern und den Besuchern diverse Rückzugsmöglichkeiten anbieten.

MASSNAHMEN

Die Umsetzung der Entwurfsziele basiert auf dem Zusammenspiel der im Vorfeld definierten Leitthemen “Reaktivierung&Vernetzung”, “Transparenz”, “Innovation&Experiment” und “Dialog”.
Diese wurden in der Ausarbeitung anhand von vier Blöcken umgesetzt.
Im südlichen Teil der Kortumstraße am Konrad-Adenauer-Platz entstehen auf den beiden flankierenden Gebäudezügen vorwiegend öffentlich genutzte Dachflächen als Naherholungs- und Bewegungslandschaft. Nördlich an das Parkhaus angrenzend wird die vorhandene Wohnbebauung in ihrer Blockstruktur ergänzt und ein gemeinschaftlich genutzter Innenhof ausgebildet. Grüne Schrebergärten und Werkstätten auf den Dächern stehen den Bewohnern zur Verfügung. Auf dem Fußabdruck der ehemaligen Brache entsteht eine Werkhalle mit mehreren Werkstätten. Geeignete Bauteile und Oberflächen werden hier bewusst erhalten und in den Entwurf mit eingebunden. Der experimentelle Charakter zeigt sich auch durch die unterschiedlichen Hofsituationen. Atelierwohnungen am Blockrand und die Sanierung der leerstehenden Gebäude vervollständigen das Nutzungsangebot.

KREATIVLANDSCHAFT IM PROZESS

In einer ersten Phase werden kurzfristig erreichbare Maßnahmen, wie die Nutzung von privaten Dachflächen angegangen. Ein Konsens mit Grundstückseigentümern und die Stärkung der Zugänge eröffnet die Möglichkeit gemeinschaftlich genutzter Innenhöfe. Dazu werden die Blockstrukturen baulich vervollständigt.
In Phase II werden öffentliche Dachflächen sowie Ateliers und Werkstätten umgesetzt. Werkhöfe bilden die produktiven Freiräume des Gebiets und werden durch private Gemeinschaftsflächen ergänzt. Aktive Sportflächen auf dem Parkhaus am Konrad-Adenauer-Platz fördern die Bewegung und Gesundheit der Nutzer.
In der dritten Phase steht der Ausbau des Wohnungsbestands durch experimentelle Wohnformen und die Erweiterung der Entwurfsidee auf umliegende Blöcke.

RAUSGEH4TEL & VIERTEL-STUNDEN

Im „Rausgeh4tel“ begegnen sich Nachbarn, Kreative und Unternehmen. Alle Menschen, die sich dem Bermuda3Eck verbunden fühlen, sowie auch dessen Nutzer und Bewohner profitieren von der Angebots- und Nutzungsvielfalt und engagieren sich gemeinsam im Rahmen von „Viertel-Stunden“ mit Zeit und Kompetenz für das Quartier und dessen Weiterentwicklung.

Jasmin Doustdar und Andreas Jorba haben für ihre Arbeit einen wa-Förderpreis der Zeitschrift „wettbewerbe aktuell“ erhalten.

Ausgangspunkt

Guter Freiraum wird in Städten und Vierteln immer mehr gebraucht. Die Wichtigkeit von öffentlichem, agilen, nahem, grünem und vielfältigem Freiraum wird vor allem auch durch Corona deutlich. 
Bochum blickt auf eine lange Geschichte der Außengastronomie und Live-Kultur zurück und das gilt es zu erhalten und durch umliegende Freiflächen zu unterstützen. So kommen mehr Menschen in das Viertel und stärken dadurch auch die vorhandenen Gewerbe, da sie sich länger im Viertel aufhalten. Dass es an Naherholungsflächen fehlt, wurde auch durch vergangene Bürgerbeteiligungsprozesse bekräftigt, denn aktuell gibt es im Bermudadreieck kaum öffentlichen Freiraum und vor allem keinen Grünraum. Um mehr Freiraumqualitäten im Viertel zu erreichen, aktivieren wir Flächen durch Umnutzung, Entsiegelung und Begrünung und machen sie dadurch der Öffentlichkeit wieder zugänglich.

Entwurfsziele

Das Bermudadreieck wird durch unsere Maßnahmen zu einem lebendigen, lebenswerten, grünen Viertel, was eine große Bandbreite von Lebensstilen ermöglicht. Inklusives Design und durchgängige Barrierefreiheit sorgen für ein starkes Gemeinschaftsgefühl, Toleranz und lokale Solidarität. Das Bermudadreieck ist anpassungsfähig, aber dennoch mit der nötigen Verbindlichkeit, um für Stabilität vor allem gegenüber negativen Einflüssen gewappnet zu sein. Die Schaffung von ausgedehnten Grünflächen in der Stadt bringt großen ökologischen Mehrwert für Stadtklima und Biodiversität, sowie sozialen Mehrwert wie physische und mentale Gesundheit mit sich. Die unterschiedlich gestalteten Räume sind ein Garant für mehr Lebensqualität und Lebensbalance für alle Menschen, die sich dort aufhalten.

Maßnahmen

Wir schaffen verschiedene Räume und steigern durch unterschiedliche Maßnahmen die Aufenthaltsqualitäten im Bermudadreieck. Die Freiräume sind trotz ihrer verschiedenen Qualitäten und Nutzungen durch gemeinsame Gestaltungselemente vereint. Jeder Freiraum ist durch seine Umgebung, Dichte  und Aktivität, sowie durch Elemente der Interaktion geprägt.
Die Stadtbühne wird als unsere Quartiersmitte ein neuer Treffpunkt, der für unterschiedliche  Nutzungen offen gestaltet ist. Der Begegnungsraum ist im Gegenzug dazu ein etwas zurückgezogenerer Ort zum Verweilen. Verschiedene Möglichkeiten zum Ausgleich und zur Bewegung bietet der Aktivraum. Der Genussraum ist die Gastronomiemeile mit verschiedensten Angeboten und viel Trubel. Eine ruhigere, entspanntere Atmosphäre, mit weniger Trubel bietet wiederum der Rückzugsraum.