WohnJoker für Wiesbaden-Klarenthal

Sieger:innen des Ernst-May-Preises 2023 stehen fest / Ausstellung in Wiesbaden

18.08.2023

Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt vergibt zum 16. Mal die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung an Studierende des Fachbereichs Architektur

Die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW) setzt gemeinsam mit dem Fachgebiet für Entwerfen und Wohnungsbau der TU Darmstadt eine 30 Jahre alte Tradition fort. Nach der coronabedingten Pause vergab die NHW zum 16. Mal den Ernst-May-Preis. Der Ernst-May-Preis wird seit 1988 im Zwei-Jahres-Turnus für Studierende der TU Darmstadt ausgelobt, das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro stiftet die NHW. Ein Teil des Preisgeldes wurde in Form einer Startprämie von 100 Euro an alle Teilnehmer:innen ausgezahlt, die einen Beitrag einreichen und diente als Unterstützung der Studierenden in schwierigen Zeiten bereits während der Aufgabenbearbeitung für Material- und Druckkosten.

Ein WohnJoker für die Großwohnsiedlung Wiesbaden-Klarenthal
Thema der Ausschreibung war der Entwurf eines „WohnJokers“ für die Großwohnsiedlung Klarenthal in Wiesbaden. Dieser soll als neues Gebäude frische Impulse für die Bestände in der Großwohnsiedlung der NHW liefern. Im Idealfall verbindet er unterschiedliche Arten der Nutzung in einer flexiblen, hierarchielosen Struktur, vereint also z.B. flexibles, multifunktionales Wohnen mit nachbarschaftlichen sowie öffentlichen Angeboten unter einem Dach. Auf diese Weise soll eine innovative Struktur entstehen, die neue Modelle des Zusammenlebens zulässt und vieles von dem bietet, was über die Erfüllung der primären Wohnbedürfnisse hinausgeht. Der WohnJoker schafft Atmosphäre und Wohnraum für alle – „soziale Energie“ wird sichtbar und potenziert. Die Studierenden waren innerhalb dieser „Versuchsaufstellung" aufgefordert, sich mit der Typologie der Großwohnsiedlung in Wechselwirkung mit den aktuellen Fragen unserer Zeit auseinanderzusetzen und in ihrem Entwurf für einen WohnJoker zu reflektieren. Das von Professorin i.V. Audrey Shimomura geleitete Fachgebiet Entwerfen und Wohnungsbau hat den diesjährigen Ernst-May-Preis ausgelobt und das Thema in Abstimmung mit der NHW herausgegeben.

Ausgezeichnet: Lea Jung, Fitore Delija, Fabian Helbig, Anna Burak und Ines Wiedemann
Ausgezeichnet: Lea Jung, Fitore Delija, Fabian Helbig, Anna Burak und Ines Wiedemann

Die Preisträger:innen
Den ersten Platz belegte Lea Jung, deren Arbeit die Jury in Haltung und Methode begeisterte: „Mit großer Leichtigkeit und Virtuosität bedient sie sich bei Ernst May, kopiert eines seiner Häuser und löst dessen Struktur sukzessive auf, bis nur noch eine Schar winkelförmiger Stützen subtil und sperrig zugleich den Geschossplan prägt. Mittels ergänzender Leichtbauwände erzeugt sie geschossweise eine Variation aus konventionellen Wohnungen, kleinen Studios und kollektiven „Jokern“ mit großer Offenheit hinsichtlich ihrer Programmierung. Das charakteristische Winkel-Skelett verleiht dem Haus räumlichen Halt und eröffnet zugleich unzählige Möglichkeiten der Aneignung. Die neue Hülle besitzt einen eigenständigen Ausdruck, ohne dabei die Bindung zur bestehenden Siedlung zu verlieren“, so das Urteil der Jury.

Platz zwei belegte Fabian Helbig. Seine Arbeit ist laut Jury „… elaboriert durch alle Maßstäbe hindurch sorgfältig gestaltet sowie von herausstehender darstellerischer Qualität. Wir gratulieren zu einem beeindruckenden Projekt.“

Dritte wurde Fitore Delija, deren Arbeit die Jury so bewertete: „Mit großer Selbstverständlichkeit integriert Fitore Delija ein geknicktes Volumen in die städtebauliche Anlage von Ernst May, das in seinen Proportionen jedoch einen neuen Maßstab einführt. Mit der Gebäudetiefe eröffnen sich im Inneren des Baukörpers neuartige Angebote zur programmatischen Anreicherung von Klarenthal: Großzügige, produktive Hallen ziehen sich ausgehend vom Erdgeschoss durch das Haus und ermöglichen die Integration der Arbeit ins Wohnumfeld ebenso wie Freiräume für gemeinschaftliche Projekte sowie Möglichkeiten für Service-Angebote – zum Beispiel temporäres oder betreutes Wohnen und Kinderbetreuung.“

Anerkennungen erhielten Anna Burak und Ines Wiedemann. Die Jury, bestehend aus NHW-Geschäftsführerin Monika Fontaine-Kretschmer, Tanja Reimer (Jury-Vorsitzende, Donet Schäfer Reimer Architekten, Zürich), Johannes Ernst (Steidle Architekten, München), Maren Harnack (Frankfurt University of Applied Sciences), Camillo Huber-Braun (Leiter des Stadtplanungsamtes Wiesbaden), Stephan Kuger (Projektentwicklung & Akquisition, NHW) traf ihre Entscheidung nach intensiver Beratung. Insgesamt wurden 19 Arbeiten eingereicht.

„Die Wohnungsbaubranche muss auf aktuelle Anforderungen und Veränderungen reagieren, die der hohe Wohnungsdruck und die aktuelle Lage mit sich bringen. Dafür benötigen wir neben der Erfahrung und Kompetenz, die wir uns über Jahrzehnte angeeignet haben, auch frischen Wind und neue, kreative Ideen. Insofern freut es mich sehr, dass wir die über Jahre bewährte Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt fortsetzen können“, sagte NHW-Geschäftsführerin und Jurymitglied Monika Fontaine-Kretschmer bei der feierlichen Preisverleihung in der Galerie des Fachbereichs der Technischen Universität Darmstadt.

Hintergrund: Ernst-May-Preis
Die Unterstützung junger Menschen in ihrer Ausbildung ist eine der Säulen des gesellschaftlichen Engagements der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt. Der Ernst-May-Preis wird alle zwei Jahre für Studierende der Technischen Universität Darmstadt ausgelobt und soll im Geiste des sozial orientierten Wohnungs-Siedlungs- und Städtebaus die fachliche und politische Auseinandersetzung der Studierenden mit neuen Aufgabenstellungen fördern. Im Fokus steht dabei, eine sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung für breite Schichten der Bevölkerung zu gewährleisten und Wohnungssuchende zu berücksichtigen, die aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse oder Umstände Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche haben. Der Schwerpunkt liegt auf dem Rhein-Main Gebiet. Ausgezeichnet werden experimentelle, visionäre Wohnungsbau- und Hybridkonzepte sowie die damit verbundenen Freiräume. Der gebürtige Frankfurter Ernst May (1886-1970) gilt als Architekt mit weitreichenden Kompetenzen in verschiedenen Bereichen. May suchte nach Wohn- und Siedlungskonzepten, die nicht nur erschwinglichen Wohnraum schaffen, sondern auch die sozialen und hygienischen Probleme des herkömmlichen Wohnungsbaus vermeiden sollten. May und seine Mitarbeiter setzten dabei auf eine industrialisierte Bauweise mit vorgefertigten Bauteilen, funktional optimierten Grundrissen und einem hohen Freiraumbezug mit einer aufgelockerten Zeilenbauweise sowie Dachterrassen. Architektonisch verknüpfte er dabei die Ansätze der Gartenstadtbewegung mit den Zielen des Neuen Bauens.

Ausstellungen in Darmstadt und Wiesbaden
Die Arbeiten waren vom 28.07. bis 04.08.2023 am Fachbereich Architektur der TU Darmstadt zu sehen und werden erneut vom 28.09. bis 17.10.2023 im Stadtplanungsamt Wiesbaden, Gustav-Stresemann-Ring 15, 65189 Wiesbaden ausgestellt.

Öffnungszeiten in Wiesbaden:
Mo, Di, Do: 8:00 bis 16:00 Uhr
Mi: 8:00 bis 18:00 Uhr
Fr: 8:00 bis 12:00 Uhr

Abbildungen

Lea Jung: Innenansicht

Lea Jung: Grundriss 3. OG

Lea Jung: Schnitt

Fabian Helbig: Außenansicht

Fabian Helbig: Innenansicht

Fabian Helbig: Regelgeschoss

Fitore Delija: Innenansicht

Fitore Delija: Schnitt

Fitore Delija

Anna Burak: Innenansicht

Anna Burak: Grundrisse

Anna Burak: Schnitt

Ines Wiedemann: Innenansicht

Ines Wiedemann: Schnitt

Ines Wiedemann: Grundriss