Ausgezeichnete studentische Forschung

Verleihung des Heinz-Stillger-Preises am Fachbereich Architektur

06.12.2020

Am 2. Dezember 2020 wurde im Rahmen des „Tages der Forschung“ der Heinz-Stillger-Preis an Studierende des Fachbereichs verliehen. Mit dem Preis werden herausragende studentische Forschungsarbeiten im Bereich der Architektur ausgezeichnet.

Ziel des Preises ist eine Stärkung des Stellenwerts der Forschung in der Lehre und eine Förderung der Durchgängigkeit vom Bachelor über den Master in die Forschung und Promotion. Dass dieses Konzept aufgeht, zeigt sich daran, dass zwei der vorangegangenen Preisträger*innen mittlerweile promovieren.

Gestiftet wird der Preis von der in Wiesbaden ansässigen HEINZ-STILLGER-STIFTUNG. Zweck der 1995 gegründeten Stiftung ist u. a. „die Finanzierung von Forschung und Wissenschaft auf dem Gebiet der Architektur“ und „die Unterstützung begabter und förderungswürdiger Studierender der Architektur“.

In diesem Jahr wurden 12 Projekte eingereicht, die das breite Spektrum architektonischer Forschung am Fachbereich abdecken. Sie bearbeiten architekturhistorische, entwurfliche, typologische, stadtplanerische, technische sowie gestalterische Forschungsfragen.

Eine Besonderheit des Preises ist das zweistufige Auswahlverfahren. Nach der Nominierung der Projekte durch die Fachgebiete wählte die Jury (bestehend aus Prof. Dr. Anna-Maria Meister, Prof. Dr. Oliver Tessmann, den Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen Dipl.-Ing. Marianne Halblaub Miranda und Dr. Martin Pozsgai sowie den Masterstudierenden Zora Schües und Max Wust) sechs Projekte für die zweite Juryrunde ein. In dieser präsentieren die nominierten Studierenden ihre Projekte vor Publikum in Form eines Science Slams. Dieser fand – wie auch die Preisverleihung – im Rahmen des „7. Tages der Forschung“ des Fachbereichs am 2. Dezember 2020 online statt und wurde von etwa 120 Gästen verfolgt. Der Preis ist mit insgesamt 5.000 Euro dotiert, die auf die sechs Nominierten aufgeteilt wurden.

Frau Elke Stillger (Heinz-Stillger-Stiftung), die Juryvorsitzende Prof. Dr. Anna-Maria Meister und die Preisträger*innen bei der Preisverleihung.
Frau Elke Stillger (Heinz-Stillger-Stiftung), die Juryvorsitzende Prof. Dr. Anna-Maria Meister und die Preisträger*innen bei der Preisverleihung.

Die Preisträger*innen

1. Preis
Anastasia Shadkhina

„Eine Frage der Nachhaltigkeit. Eine Betrachtung von Flüchtlingsunterkünften im Kontext deutscher Großstädte“
Betreut vom Fachgebiet Entwerfen und Städtebau

Anastasia Shadkhina widmet sich in ihrer Arbeit einer aktuellen architektonischen Fragestellung, dem Bau von Flüchtlingsunterkünften in Deutschland. Sie geht der Frage nach, wie diese nachhaltig gebaut und gestaltet werden können. Als Architektin bezieht sie sich dabei vor allem auf die bauliche Umsetzung von Erstunterkünften und untersucht die Anforderungen an diese spezielle Bauform und Wohnungstypologie aus der Sicht der Nutzer*innen. Besondere Schwerpunkte setzt sie unter anderem auf die Nachhaltigkeit des Baukörpers, der Grundrisse, der Wahl der Materialien und der Energieeffizienz.

Da viele Kenndaten und Pläne aufgrund politischer und rechtlicher Bedenken nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, hat Anastasia Shadkhina die Flüchtlingsunterkünfte selbst aufgesucht, Planunterlagen erstellt und Interviews mit Bewohner*innen geführt. In einer abschließenden vergleichenden Bewertung, entwickelt die Autorin klare Vorgaben und Lösungsansätze für künftige Unterkünfte.

Die Arbeit zeigt hervorragend auf, wie wissenschaftliche Forschung in der Architektur mit Literaturrecherche, einer klaren Forschungsfrage, einer zielgeleiteten kriterien-basierten Analyse, der Anwendung wissenschaftlicher Methoden, nachvollziehbarer Bewertung und Entwicklung von Handlungsfeldern und Lösungsansätzen bearbeitet werden kann.
(Dotiert mit 2.000 Euro)

2. Preis
Katharina Kostka

„Spolien neu denken – Spolien als Strategie für die Kreislaufwirtschaft“
Betreut vom Fachgebiet Digitales Gestalten

Katharina Kostka setzt sich in ihrer Arbeit mit der Kreislaufwirtschaft in der Architektur auseinander, indem es in die Vergangenheit blickt, um Antworten für die Zukunft zu finden. Wenn zukünftig Bauteile wiederverwendet werden, um Energie und Ressourcen zu sparen, werden nicht mehr industriell und seriell hergestellte Bauteile das günstigste Baumaterial darstellen, sondern ungenormtes Material wie Verschnitt, Abrissmaterial und demontierte Elemente. Wie wird sich dieser Wandel auf die Gestaltung von Architektur auswirken? Katharina Kostka versucht diese Frage zu beantworten, indem sie die Verwendung von Spolien in der Architekturgeschichte nachzeichnet. In Ihrer theoretisch fundierten Arbeit zeichnet sie Spolienbeispiele aus 2500 Jahren Architekturgeschichte nach. Sie entwickelt dabei eine grafische Sprache, die eine Vergleichbarkeit dieser sehr unterschiedlichen Beispiele ermöglicht. Sie erkennt Gestaltungskategorien, die über viele Jahrhunderte Bestand haben und Bauwerke in neue Beziehung zueinander setzen. Der Arbeit gelingt es, Spolien in einem neuen Kontext zu zeigen und aus kunstgeschichtlicher Forschung Gestaltungsansätze für morgen abzuleiten.

(Dotiert mit 1.300 Euro)

3. Preis
Prisca Eckert

„Die Publikation ,Architektinnen. Ideen-Projekte- Bauten' – Auseinandersetzung mit der feministischen Haltung der Architektin Verena Dietrich“
Betreut vom Fachgebiet Architektur- und Kunstgeschichte

Angeregt durch die 2017 im Deutschen Architekturmuseum gezeigte Ausstellung „Frau Architekt“ untersucht Prisca Eckert in ihrer Arbeit die Publikation „Architektinnen. Ideen – Projekte – Bauten“ der Architektin und Feministin Verena Dietrich aus dem Jahr 1986. Dietrich stellt in ihrem Buch 64 in Deutschland praktizierende Architektinnen auf selbstgestalteten Seiten vor.

Das Buch Dietrichs ist, das wird aus der Analyse von Prisca Eckert deutlich, einerseits eine wichtige Quelle für das Verständnis der Situation von Architektinnen in den 1980er Jahren und andererseits auch heute noch in vielen Aspekten höchst aktuell.

Beeindruckend ist die Akribie, mit der Frau Eckert den einleitenden Text von Verena Dietrich aber auch die Porträts der einzelnen Architektinnen analysiert und kontextualisiert. Hier zeigt sich ihre sehr eigenständige strukturelle und methodische Herangehensweise an dieses relevante Thema.

(Dotiert mit 600 Euro)

3. Preis
Paul Steggemann

„DeepPattern – Introducing Convolutional Neural Networks for Architectural Pattern Recognition“
Betreut vom Fachgebiet Digitales Gestalten

Paul Steggemann überträgt in seiner Arbeit das aktuelle Thema „Maschinelles Lernen“ auf die Architektur. Gut nachvollziehbar und methodisch sehr zielgerichtet geht er der Frage nach, wie sich ein Algorithmus trainieren lässt, um einfache architektonische Grundfiguren in Grundrissen zu klassifizieren und zu bewerten. Er nutzt hierzu Algorithmen, die in anderen Einsatzgebieten erprobt sind und überträgt diese auf die Architektur. Die gewonnenen Erkenntnisse bieten eine gute Grundlage, um dieses Thema in künftigen Kollaborationen weiter zu vertiefen.

(Dotiert mit 600 Euro)

Anerkennungen

Thomas Alsheimer
„Gebäude & Gebärde – konstruierte Choreografien. Mies van der Rohe und der Ausdruckstanz“
Betreut vom Fachgebiet Architektur- und Kunstgeschichte

Thomas Alsheimers untersucht in seiner Arbeit das Verhältnis von Tanz und Architektur am Beispiel der Architektur Mies van der Rohes. Alsheimer führt zunächst in die Zusammenhänge von Tanz und Architektur ein, die beide als raumbildend begriffen werden können. Dann beschreibt er das konkrete Verhältnis von Mies van der Rohe zum Tanz.
Die Arbeit überrascht durch ihre originelle Themensetzung. Die Arbeit zeigt auf, wie aus Ideen und Inspiration Form entsteht.

Laura Takla
Korogocho – Understanding the Nature of a Slum
Betreut vom Fachgebiet Entwerfen und Städtebau

Laura Taklas Arbeit beschäftigt sich mit der Herstellung und Nutzung von Infrastrukturen in der informellen Siedlung Korogocho in Nairobi, Kenia. In einer Feldforschung hat Frau Takla während eines fünfwöchigen Aufenthalts in der Siedlung gemeinsam mit den Jugendlichen die zentralen Infrastrukturen der Siedlung herausgearbeitet und ihre Ergebnisse in einem Forschungstagebuch festgehalten. Insbesondere in der abschließenden Analyse gelingt es ihr, die gewonnenen Erkenntnisse in Diskurse zur Urbanität in Städten des globalen Südens einzubetten.

Die Anerkennungen sind mit je 250 Euro dotiert.

Allen Preisträger*innen herzlichen Glückwunsch!

Der Stifter

Stifter des Preises ist der freie Architekt und TU-Alumnus Dr.-Ing. Heinz Stillger (1922–2008). Stillger studierte von 1947 bis 1951 am Fachbereich Architektur der Technischen Hochschule Darmstadt. 1952 gründete er sein eigenes Architekturbüro in Bad Camberg, das bald nach Wiesbaden und den Kreis Limburg-Weilburg sowie Wetzlar erweitert wurde. So entstand bei reger Teilnahme an Wettbewerben in diesen Regionen bis 1997 eine Vielzahl privater und öffentlicher Bauten. Kennzeichnend für Heinz Stillgers Architektur ist die überzeugte Orientierung an den gestalterischen Ideen des Werkbundes und des Bauhauses. Heinz Stillger war mit Leib und Seele Architekt. Mit Gründung seiner Stiftung machte er deutlich, dass er sein Leben ganz der Architektur gewidmet hat.

Die Stiftung

Die HEINZ-STILLGER-STIFTUNG ist eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Wiesbaden. Sie wurde 1995 gegründet und verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke.Ihr Stiftungszweck sind wissenschaftliche und künstlerische Aufgaben insbesondere auf dem Gebiet der Architektur und der handwerklichen Baukunst sowie die Förderung der beruflichen Bildung auf diesem Gebiet.Dieser wird unter anderem verwirklicht durch:

  • Die Finanzierung von Forschung und Wissenschaft auf dem Gebiet der Architektur
  • Die Unterstützung begabter und Förderungswürdiger Studierender der Architektur
  • Die Förderung und Unterstützung der Ausbildung von Handwerksmeistern
  • Die Förderung der Denkmalpflege insbesondere historischer Bauten.

> https://www.stillger-stiftung.de