Ausgezeichnete studentische Forschung

Verleihung des Heinz-Stillger-Preises am Fachbereich Architektur

06.12.2021

Am 1. Dezember 2021 wurde im Rahmen des „Tages der Forschung“ der Heinz-Stillger-Preis an Studierende des Fachbereichs verliehen. Mit dem Preis werden herausragende studentische Forschungsarbeiten im Bereich der Architektur ausgezeichnet.

Ziel des Preises ist eine Stärkung des Stellenwerts der Forschung in der Lehre und eine Förderung der Durchgängigkeit vom Bachelor über den Master in die Forschung und Promotion. Dass dieses Konzept aufgeht, zeigt sich daran, dass zwei der vorangegangenen Preisträger*innen mittlerweile promovieren.

Gestiftet wird der Preis von der in Wiesbaden ansässigen HEINZ-STILLGER-STIFTUNG. Zweck der 1995 gegründeten Stiftung ist u. a. „die Finanzierung von Forschung und Wissenschaft auf dem Gebiet der Architektur“ und „die Unterstützung begabter und förderungswürdiger Studierender der Architektur“.

In diesem Jahr wurden neun Projekte eingereicht, die das breite Spektrum architektonischer Forschung am Fachbereich aufzeigen. Sie bearbeiten architekturhistorische, stadtplanerische und materialwissenschaftliche Forschungsfragen.

Eine Besonderheit des Preises ist das zweistufige Auswahlverfahren. Nach der Nominierung der Projekte durch die Fachgebiete wählte die Jury (bestehend aus Prof. Katharina Immekus, Prof. Wolfgang Lorch, den Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Dipl.-Ing. Marianne Halblaub Miranda und Dr. Christiane Fülscher sowie den Studentinnen Marilena Appel und Hannah Sophie Egert) sechs Projekte für die zweite Juryrunde ein. In dieser präsentieren die nominierten Studierenden ihre Projekte vor Publikum in Form eines Science Slams. Dieser fand – wie auch die Preisverleihung – im Rahmen des „8. Tages der Forschung“ des Fachbereichs am 1. Dezember 2021 online statt und wurde von etwa 120 Gästen verfolgt. Der Preis ist mit insgesamt 5.000 Euro dotiert, die auf die sechs Nominierten aufgeteilt wurden.

Jannis Protzmann, Versuchsdokumentation zum Brandverhalten von ertüchtigtem Wabenkarton
Jannis Protzmann, Versuchsdokumentation zum Brandverhalten von ertüchtigtem Wabenkarton

Die Preisträger*innen

1. Preis
Jannis Protzmann

Brandschutz für Papierwerkstoffe als Baumaterial. Auf der Suche nach einem nachhaltigen Komposit aus Wabenkarton und Lehm im Rahmen der Forschung „Bauen mit Papier“
Betreut vom Fachgebiet Plastisches Gestalten

Jannis Protzmann hat sich mit seiner Arbeit „Nachhaltiger Brandschutz für Papier am Beispiel einer Wabenplatte“ mit einem Thema beschäftigt, welches inhaltlich an die Forschung des Fachgebietes Plastisches Gestalten gekoppelt ist. Mit seiner Arbeit führt er aktuelle Fragestellungen aus der Forschung zu zellulosebasierten Werkstoffen wie Papier und Karton weiter. In einer umfangreichen und gut dokumentierten Testreihe, überprüft Jannis Protzmann inwieweit die Beschichtung einer Wabenplatte mit Lehm für einen geeigneten Brandschutz dienen kann.

Die Arbeit überzeugt durch ihre Innovationskraft, ihre wissenschaftliche Herangehensweise und die Anwendung der wissenschaftlichen Werkzeuge. Sie ist eigenständig und präzise in der Durchführung, methodisch gut strukturiert, und bietet das Potenzial zu einer weiteren Ausarbeitung bis hin zu Produktreife. Damit geht die Arbeit von Jannis Protzmann deutlich über die reguläre Bearbeitung einer Aufgabenstellung im Rahmen eines Forschungsmoduls hinaus.

(Dotiert mit 2.000 Euro)

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2. Preis
Mehmet Erkan Eker

Bridge of Empathy. Über die Notwendigkeit der Erhaltung von Überlebensräumen obdachloser Menschen in städtebaulichen Transformationen. Untersucht am Beispiel der Hochstraße „Minhocão“, São Paulo, Brasilien
Betreut vom Fachgebiet Entwerfen und Stadtplanung

Das Forschungsmodul „Bridge of Empathy – Über die Notwendigkeit der Erhaltung von Überlebensräumen obdachloser Menschen in städtebaulichen Transformationen. Untersucht am Beispiel der Hochstraße „Minhocão“, São Paulo, Brasilien.“, von Mehmet Eker setzt sich mit dem gesellschaftlichen Problem der urbanen Armut und ihren sozialräumlichen Dimensionen in São Paulo auseinander. Dabei wurde die Transformation der Hochstraße „Minhocão“ kritisch hinterfragt.

Die grundlegende Forschungsfrage bezog sich darauf, welche Effekte die derzeitigen Planungen auf die zukünftigen Nutzungen die Obdachlosen haben für würden und wie Obdachlose in einem alternativen Planungsprozess der Transformation berücksichtigt werden könnten?

Mehmet Erkan Eker bewertete zunächst die geplanten Maßnahmen durch eine Bild- und Plananalyse. Anschließend untersuchte er die alltäglichen, räumlichen Bedürfnisse und Praktiken von Obdachlosen. Die von ihm daraus entwickelten Strategievorschläge eröffnen sowohl praktische als auch theoretische Gedanken zur Inklusion diverser, auch sozioökonomisch schwacher Bevölkerungsgruppen in der Stadt.

(Dotiert mit 1.000 Euro)

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3. Preis
Viola Abu-Salha

Explore How Ground Colours Support Social and Societal Functions of Urban Space Case Studies on Urban Squares
Betreut von der Research Group Urban Health Games

Farbe ist in der Stadtgestaltung weit verbreitet, doch die Rolle von Farbe im urbanen Raum wurde bisher kaum erforscht. Viola Abu-Salha untersuchte in ihrer Arbeit eine breite Palette von Anwendungsfällen von Bodenfarben auf bekannten städtischen Plätzen. Es gelang ihr, die Farbattribute übergreifend zu analysieren und die Ergebnisse in einer Kombination aus farbwissenschaftlichen und farbpsychologischen Erkenntnissen zu präsentieren.

Viola Abu-Salhas beeindruckende Forschungsarbeit ist sowohl fortschrittlich als auch praktisch. Die Auswahl des Themas spiegelt ihre Fähigkeit wider, einen Einblick in die Forschungslücke zu gewinnen; der Forschungsprozess zeigt ihre Fähigkeiten zur Daten- und Literatursammlung sowie zur Organisation; und die Forschungsergebnisse zeigen ihre Fähigkeit zur systematischen Analyse und zur Anwendung von Theorien.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Studentin ein hohes Maß an akademischer Forschungsqualität aufweist.

(Dotiert mit 750 Euro)

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3. Preis
Leonie Ott & Max Wust

Parkraumbewirtschaftung – was bringt‘s? Parkraumbewirtschaftung im Kapellplatzviertel – Phase II
Betreut vom Fachgebiet Entwerfen und Stadtplanung

Das Forschungsprojekt „Parkraumbewirtschaftung – was bringt’s? Parkraumbewirtschaftung im Kapellplatzviertel – Phase II“ von Leonie Ott und Max Wust ist die Fortsetzung eines Forschungsprojektes am gleichen Ort aus dem Jahr 2018. Phase 2 des Projektes erfolgte im Sommersemester 2021 und untersuchte die Auswirkungen der Parkraumbewirtschaftung seit ihrer Einführung. Ott und Wust entwickelten hierfür selbständig eine integrierte Methodik, die vier verschiedene Herangehensweisen umfasst: Literaturrecherche, Foto- und Videoanalyse, Online-Fragebögen und Zählungen/Beobachtungen vor Ort. Die methodische Vielfalt brachte qualitative und quantitative Ergebnisse hervor, die für die weitere Entwicklung nachhaltiger städtischer Mobilität, insbesondere in Darmstadt, sehr wichtig sind.

(Dotiert mit 750 Euro)

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Anerkennungen

Valentin Braun
The role of public participation in the planning of public urban spaces in Prishtina. Partizipation und öffentlicher Raum im post-konfliktären und post-jugoslawischen Kontext
Betreut von Mundus Urbano

Valentin Braun hat sich in seinem Forschungsprojekt mit dem Themenkomplex Raum und Raumproduktion mit dem Fokus auf Partizipation in den kritischen Sozial- und Stadtwissenschaften und der Anwendung von Partizipationstools im post-konfliktären und post-jugoslawischen Kosovo beschäftigt.

Herr Braun begründet strukturiert und mit guten Kenntnissen des Forschungsstands die Relevanz von Partizipation für die Produktion von öffentlichem Raum. Auch seine Entscheidung die Case Study am Beispiel des post-jugoslawischen Prishtina durchzuführen ist gut nachvollziehbar dargelegt. Obwohl er seine Fallstudie aufgrund der Corona-Pandemie unter erschwerten Bedingungen durchführen musste, ist ihm eine holistische, strukturierte und kritische Betrachtung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen gelungen.

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Katharina Münch
Brutalismus – Architektur der Angst? Der Brutalismus als Antwort auf die traumatischen Erfahrungen des zweiten Weltkriegs oder als optimistischen Neubeginn in neuer Formensprache?
Betreut vom Fachgebiet Architektur und Kunstgeschichte

Katharina Münch hat ihr Forschungsmodul dazu genutzt, ihre eigene Vorliebe für den Brutalismus mit einer kritischen Befragung einer wichtigen These zur Entstehung und Deutung dieser Ästhetik zu verbinden: Aus der Tatsache, dass die Begeisterung für „rohe“ Oberflächen und monumental-reduzierte Bauformen in der Nachkriegszeit und damit der Ära des Kalten Krieges ihre Blütezeit erlebte, hat der Architekturkritiker Eberhard Schulz bereits 1963 die Deutung entwickelt, dieser Stil sei eine „Architektur der Angst“, eine Art Schutzraum-Ästhetik der traumatisierten Europäer.

Aber auch die Gegendeutung erscheint möglich. Das grenzenlose Vertrauen in den Baustoff Beton und sein ungehemmter Einsatz lassen sich als Ausdruck des Fortschrittsoptimismus jener Zeit lesen.

In ihrer Studie stellt Katharina Münch diese beiden widersprüchlichen Deutungen gegeneinander und nimmt auch die erstaunliche Popularität in den Blick, die diese Architektursprache seit einigen Jahren wieder genießt. Sie zeigt damit einen Weg, „Stilfragen“ nicht nur historisch zu diskutieren, sondern als aktuelle Problemstellung aufzufassen, und geboren aus der eigenen Entwurfserfahrung als aktuell relevantes Forschungsfeld zu erschließen.

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Die Anerkennungen sind mit je 250 Euro dotiert.

Allen Preisträger*innen herzlichen Glückwunsch!

Der Stifter

Stifter des Preises ist der freie Architekt und TU-Alumnus Dr.-Ing. Heinz Stillger (1922–2008). Stillger studierte von 1947 bis 1951 am Fachbereich Architektur der Technischen Hochschule Darmstadt. 1952 gründete er sein eigenes Architekturbüro in Bad Camberg, das bald nach Wiesbaden und den Kreis Limburg-Weilburg sowie Wetzlar erweitert wurde. So entstand bei reger Teilnahme an Wettbewerben in diesen Regionen bis 1997 eine Vielzahl privater und öffentlicher Bauten. Kennzeichnend für Heinz Stillgers Architektur ist die überzeugte Orientierung an den gestalterischen Ideen des Werkbundes und des Bauhauses. Heinz Stillger war mit Leib und Seele Architekt. Mit Gründung seiner Stiftung machte er deutlich, dass er sein Leben ganz der Architektur gewidmet hat.

Die Stiftung

Die HEINZ-STILLGER-STIFTUNG ist eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Wiesbaden. Sie wurde 1995 gegründet und verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke.Ihr Stiftungszweck sind wissenschaftliche und künstlerische Aufgaben insbesondere auf dem Gebiet der Architektur und der handwerklichen Baukunst sowie die Förderung der beruflichen Bildung auf diesem Gebiet.Dieser wird unter anderem verwirklicht durch:

  • Die Finanzierung von Forschung und Wissenschaft auf dem Gebiet der Architektur
  • Die Unterstützung begabter und Förderungswürdiger Studierender der Architektur
  • Die Förderung und Unterstützung der Ausbildung von Handwerksmeistern
  • Die Förderung der Denkmalpflege insbesondere historischer Bauten.

> https://www.stillger-stiftung.de