Freie Thesis
Masterthesis Winter 2021/22

Freie Thesis betreut vom Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung (Prof. Dr.-Ing. Annette Rudolph-Cleff)

Die freie Masterthesis-Aufgabe von Julia Kemkemer stellt die Frage nach Möglichkeitsräumen für den ländlichen Raum und ist somit Teil einer aktuellen bundesweit geführten Debatte.

Es geht darum, ausdrucksstarke Bilder zu entwickeln, wie Landgemeinden, die längst nicht mehr einen Gegensatz zu Stadt darstellen, sondern vielmehr mit den Begriffen StadtLand oder neuer Rurbanismus beschrieben werden, aussehen können.

Wie kann lokales Handeln vor Ort, auch regional, darüber hinaus teilweise national und sogar global wirken? Wie und durch welche Maßnahmen können sich diese Themen räumlich und konzeptuell vor Ort widerspiegeln?

Mit dem Entwurf gilt es, StadtLand-Zusammenhänge zu entdecken, analysieren und zu verstehen. Gleichzeitig soll durch eine planerische und räumliche Auseinandersetzung mit dem Ort aufgezeigt werden, wie durch Kreativität und Innovation das verdeckte Potenzial ländlicher Räume sinnvoll eingesetzt und gebündelt werden könnte und welche neuen Möglichkeiten und Qualitäten damit verbunden sein können.

Die Bearbeitung erfolgte am Beispiel der Gemarkung Weilbach im Landkreis Miltenberg, welcher im äußeren Einzugsgebiet des Rhein-Main-Gebiets liegt.

Für das Planungsgebiet sollen zukunftsweisende Visionen entwickelt werden, welche die Gemarkung Weilbach in einen neuen Zusammenhang der Stadt-Land Beziehung setzt.

Da innerhalb des Planungsgebiets verschiedene Handlungsfelder und Zukunftsfragen vertieft werden können, gibt es keine verbindlichen Festlegungen für das Raumprogramm, sondern vielmehr untersuchungsrelevante Oberthemen. Es ist daher Teil der Entwurfsidee, sinnvolle Konzept- und Nutzungszusammenhänge und Schwerpunkte zu setzen.

Eine Auseinandersetzung mit neuen Wohn- und Arbeitsformen, in Anbetracht des gesellschaftlichen und strukturellen Wandels, ist als integraler Bestandteil der Konzeptentwicklung zu begreifen. Gleichzeitig hat der Bezug zwischen Wohnort und Arbeitsplatz der Bewohner*innen unmittelbare Auswirkungen auf Nutzungsmischung und Mobilitätsverhalten. In diesem Zuge sind künftige Entwicklungen der Mobilitätsformen mitzudenken. In diesem Kontext stellt das Land neben einem klassischen Ausbau des ÖPNV-Netzes alternative Anforderungen an Konzepten, um der aktuellen Flexibilität mit dem motorisierten Individualverkehr nicht nachzustehen. Dem erarbeiteten Programm liegt stets die Berücksichtigung und Einarbeitung nachhaltiger Strategien, auch im Sinne des Klimaschutzes, zu Grunde.

Aus der Ortsanalyse sollen eigene Entwurfsziele abgeleitet werden. Was ist vor Ort schon da? Was fehlt, was wird in Zukunft fehlen? Welche Trends zeichnen sich ab, welche Initiativen gibt es?

Konzeptidee

Das erarbeitete Konzept „Koproduktive Gemeinde Weilbach“ basiert auf drei Handlungsfeldern und soll eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ermöglichen.

Bei den Handlungsfeldern handelt es sich zum einen um das soziale Kapital und die Gemeinschaft vor Ort, sowohl als Prozessmotor und Ergebnis mit dem Stichwort: „Weiterdenken durch Einbeziehen“. Das zweite Handlungsfeld stellt die koproduktive Ressourcennutzung dar und das letzte Handlungsfeld sieht eine koproduktive Siedlungsentwicklung vor mit dem Gedanken: „Bereitschaft und individueller Mehrwert“.

Entwurfsziele

Die Koproduktivität spiegelt sich demnach in einer strukturell fundierten Kreislaufwirtschaft wider, sodass eine tragfähige Basis und Bindeglied aller Ortsteile entstehen, Synergien freilegen und folgende Entwurfsziele ermöglicht werden können.

  • 1. Förderung und Stärkung von Selbstorganisation
  • 2. Vorantreiben & Autarkie von Bau- und Energiewende durch lokale Wertschöpfung
  • 3. Stärkung von (Um)Baukultur

Dadurch wird eine Selbstorganisation der Gemeinde im Hinblick auf eine nachhaltige Weiterentwicklung ermöglicht und es kann durch soziale Innovation auf lokale Bedürfnisse reagiert werden.

Maßnahmen

Um die Entwurfsziele und einen strukturellen Wandel zu ermöglichen sind zwei wichtige Strukturbausteine als Motor wichtig. Bei dem ersten Baustein handelt es sich um ein genossenschaftliches Sägewerk im Hauptort Weilbach. Dadurch wird die lokale Holzwertschöpfungskette erst ermöglicht und es kann langfristig ein wichtiger Beitrag zur Regionalentwicklung geleistet werden. Der zweite Baustein stellt eine genossenschaftliche Biogasanlage im Gewerbegebiet Weilbach Süd dar. Durch das Einbinden wichtiger Akteur:innen können diese Genossenschaften tragfähige Bausteine und Orte sozialer Innovation werden.

Um diese Kreisläufe zu ermöglichen und Synergien aufzuzeigen werden verschiedene Vorschläge auf unterschiedlichen Maßstabsebenen erarbeitet. Beispielsweise durch Experimentierfeldern innerhalb der Kulturlandschaft Agroforst und Weideflächen zu kombinieren. Zum Thema Ressource Boden soll das Konzept Grundstück+ bodengebundenes Eigentum als wertvolle Ressource in eine Kreislaufwirtschaft einbinden und eine pausenlose Bewirtschaftung durch kurz-bis mittelfristigen Nutzungen ermöglichen.

Eine Innenentwicklung im architektonischen Kontext erfolgt programmatisch und mit bedürfnisorientierten Nutzungen. So entstehen beispielsweise in der kleindörflichen Struktur von Gönz gemeinschaftliche Hofstrukturen und im Hauptort Weilbach eine integrierte subsidiäre Hausgemeinschaft für Menschen mit Behinderungen oder Demenz.

Ausgezeichnet mit dem Fachbereichspreis für die beste Masterthesis