Neue Frankfurter Schule – Weiterbau der Holzhausenschule
Masterthesis Sommersemester 2023

Herausgegeben vom Fachgebiet Entwerfen und Nachhaltiges Bauen (Prof. Christoph Kuhn)

Architektur als Pädagoge – Architektur als Ressource

Beschäftigen wir uns mit Schulbauten, stellt sich selbstverständlich die Frage nach der Bedeutung, die Architektur zur räumlichen Unterstützung pädagogischer Konzepte einnehmen kann. Die bestehende Holzhausenschule von Martin Elsaesser aus dem Jahre 1929, seit 10 Jahren leerstehend, konstruktiv und räumlich weit flexibler als es scheint, ist anregende Begrenzung und Referenz, die es zu testen, zu hinterfragen und im aktuellen Kontext weiterzubauen gilt.

Schule als flexibles Spielgerüst

Schulbauten, vor allem Grundschulen, sind eine wichtige soziale Ressource für die Zukunft unserer Gesellschaft. Daher ist die Integration eines pädagogischen Konzeptes im Entwurf von großer Bedeutung. Der Raum als dritter Pädagoge (Malaguzzi).

Wie sieht eine gesunde und anregende Lernatmosphäre aus? Was ist für nachhaltiges Lernen wichtig?

Die Schule als flexibles Spielgerüst

  • fördert die Bewegung von Kindern,
  • macht neugierig, macht kreativ,
  • integriert die Natur in den täglichen Ablauf,
  • fördert den natürlichen Lerntrieb der Kinder
  • und ist ein Ort des Austauschs, der Vernetzung und der Begegnung

Schulen sind regelmäßig von Transformationsprozessen betroffen. Der Wandel in Gesellschaft und der Pädagogik wirkt sich immer auf die gebaute Architektur aus.

Die Holzhausenschule ist ein Ort mit einer 100 Jahre alten Geschichte. Sie wurde 1929 von Martin Elsaesser im Geist des Neuen Frankfurts errichtet.

Die Schulerweiterung ist Teil der Geschichte des Hauses und muss offen für zukünftige Entwicklungen bleiben. Jedes Lerncluster verfügt über ein grünes Klassenzimmer, welches jeweils über Freibrücken mit dem Bestandsgebäude verbunden ist. Die Verzahnung mit dem Außenraum durch Wintergärten und zusätzliche Außenflächen auf den Brücken ist für das neue Lernkonzept von großer Bedeutung.

Das Raster des bestehenden Stahlskelett-Baus wird durch ein Stahlgerüst erweitert und somit die Konstruktion nach außen sichtbar gemacht. Das dreidimensionale Raster tritt im Hof durch Brücken und Türme hervor, die verschiedene Nutzungen miteinander vernetzen.

Von der Straßenseite hingegen bleibt das denkmalgeschützte Gebäude bis auf die Sporthalle als neue Dachkrone in seiner Anmutung erhalten.

Das Tragwerk der Schulerweiterung folgt hierbei der Logik des rational durchgerasterten Bestandsbaus. Ein Stahlgerüstskelett mit modularen Knotenpunkten erlaubt eine hohe Flexibilität des Gebäudes. Die Anpassungs- und Erweiterungsfähigkeit macht das Gebäude nachhaltig flexibel für zukünftige Veränderungen.

Die Holzhausenschule bleibt nicht nur als Zeuge ihrer Zeit, sondern auch in Hinsicht auf den Umgang mit Ressourcen unbedingt erhaltenswert. Ihre Modifizierung kommt infrage, sobald eine verbesserte Raumqualität und zukunftsfähige Lernkonzepte erreicht werden können. Was neu und was alt ist, bleibt aber erkennbar.

Der neue Holzhausenturm ist ein Leuchtturm für das gesamte Quartier. Die beiden Annexbauten werden aufgestockt und Gebäudeteile durch einen geschützten Umgang verbunden. Dadurch eröffnen sich verschiedene flexibel bespielbare Hofsituationen. Durch eine Unterscheidung in der Materialität wird die Trennung zwischen alt und neu und Nutzungsbereichen schon von außen erkennbar.

Die Zugänge sind dezentral wählbar. Im Holzhausenturm befinden sich öffentliche Nutzungen wie Mensa oder Bibliothek, in den Annexen Nutzungen für Schule und Quartier, wie der Fachunterrichtsbereich, der auch von VHS-Kursen genutzt werden kann. Durch den Umgang öffnen sich Außenbereiche im OG. Alle Innenwände können bei Bedarf umstrukturiert werden.

Die Lerncluster im Hauptgebäude folgen dem Lernhausprinzip, bei dem Kinder verschiedener Altersstufen miteinander lernen. Zur Verfügung stehen zum einen Klassenräume als „Zuhause“, die an einen Flur mit Sitznischen angrenzen. Durch verglaste Holzkuben bekommen die Klassen ihren eigenen „Hauseingang“ und gleichzeitig eine Sichtverbindung zum Differenzierungsflur. An beiden Enden des Gebäudes gibt es Lernhubs für autodidaktische und betreute Lernformen.

Mit einem inklusiven und individuellen Nutzungskonzept, nachhaltiger Materialwahl für das kleine und große Klima, einem hybriden Wärmekonzept aus autochthon betriebenen Flächenheizungen und „Wärmespots“, einer Umstellung auf passive Belüftung und Belichtung und der Einladung des gesamten Quartiers ist die Holzhausenschule bereit für zukünftige Grundschulgenerationen.

Der Entwurf „Pusteblume“ von Jannik Busch beschäftigt sich mit der Erweiterung der Holzhausenschule in Frankfurt.

Das Hauptgebäude mit markanten Kopfbauten und der eingeschossige Anbau der ursprünglichen Turnhalle werden aufgestockt und zwischen den seitlichen Eckbauten erweitert. Die neue Sporthalle wird als eigenständiges Bauvolumen gestaltet.

Die neue Bebauung reagiert mit Vor- und Rücksprüngen, um das Volumen zu gliedern und die historische Identität des Bestands zu betonen.

Die alte Turnhalle und ihre Aufstockung dient als Quartiershaus und erhält seine Hauptadressierung über den Vorplatz. Es dient als Scharnier zwischen Vorplatz und Innenhof. Der Riegel und die Sporthalle werden vom Innenhof erschlossen.

In den einzelnen Clustern ordnen sich Open-Space-Bereiche an die Treppenhäuser, von denen die verschiedenen Klassenräume zugänglich sind. Schiebefalttüren innerhalb des Clusters der 2. bis 4. Klasse ermöglichen die Räume zu öffnen und zu schließen. So kann auf die verschiedenen Unterrichtsbedürfnisse eingegangen werden. Separierungsräume oder größere Klassenräume entstehen.

In der Vorschule und 1. Klasse besteht vor allem das Bedürfnis von Klassenunterricht, daher wird innerhalb der Aufstockung auf schaltbare Räume verzichtet. Statt einer horizontalen Ausrichtung ist die innere Struktur der Aufstockung vertikal orientiert. Neben kleinen Rückzugsräumen über den Nasszellen teilen sich die beiden Geschosse eine gemeinsame Dachterrasse.

Die Fassade des Anbaus wurde in grau-silbernem Zink gestaltet, das je nach Licht an das Weiß der Putzfassaden erinnert. Der mittlere Teil der Aufstockung mit einer grünlichen Zinkfassade vermittelt zwischen der Neuinterpretation der Bestandsfassade und der grünen Holzfassade des übrigen Neubaus. Dunkelgrüne Lisenen setzten die Volumen miteinander in Bezug.

Mit dem Entwurf eines neuen Quartiershauses für die Holzhausenschule im Frankfurter Stadtteil Nordend-West wird ein Stück neue Identität geschaffen.

DENKMALSCHUTZ

Der Entwurf stärkt das äußere Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Gebäudes, indem er in seiner Gesamtheit erhalten bleibt. Die Fassaden und die denkmalgeschützten Treppenhäuser werden in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt.

Der vorhandene Grundriss ist für moderne Pädagogik ungeeignet. Als Kompromiss zum denkmalgerechten Umgang mit der Außenfassade, werden im Inneren nichttragende Wände entfernt, um Platz für neue räumliche und pädagogische Konzepte zu schaffen.

EINGÄNGE

Die Grenzen zwischen Schulquartier und Umgebung werden geöffnet, ein neues Zentrum geschaffen und die Nachbarschaft im Viertel gestärkt. Das Schulquartier selbst wird per Erschließungsachse erschlossen. Diese besteht aus dem Bestandseingang im Süden und der neuen barrierefreien Erschließung im Norden.

Alle Gebäude werden über den Innenhof, dem Herz des neuen Quartiers, erschlossen.

NEUBAU

Neben dem Umbau des Bestandsgebäudes wird zur Erweiterung des Raumangebotes ein neues Quartiershaus im Innenhof der Schule errichtet. Zusätzlich wird auf die bestehende Sporthalle ein Bolzplatz als Blickfang gesetzt, welcher einen Hinweis auf den Neubau im Inneren des Schulhofs gibt und Menschen in das Herz des Quartiers zieht.

PÄDAGOGISCHES KONZEPT

Der Entwurf orientiert sich am Münchner Lernhauskonzept: Inklusion und Austausch wird gefördert. Die Schüler lernen in Clustern, diese bestehen aus:

  • Klassenraum für Frontalunterricht
  • Differenzierungsraum, der von zwei Klassen geteilt wird
  • Holzbox, überwindet Brüstungshöhe des Flurfensters + bietet unterschiedliche Rückzugsmöglichkeiten
  • Marktplatz als Mittel- und Treffpunkt des Clusters

Learning
FORMS
of Learning

Formen prägen unser tägliches Leben – sie informieren uns über logische Zusammenhänge, sie vermitteln uns Orientierung und organisieren unser gemeinschaftliches Leben. Das Durchwandern von Gebäuden verschiedener Zeitschichten und unterschiedlicher Formen lässt uns Standards erkennen und abstrahieren, die wir im Kontinuum steten Wandels weiter transformieren können. So können wir zeitgenössische Positionen finden, die uns einen Blick auf die Gegenwart und damit auch die Zukunft erahnen lassen.

Wenn wir Lernen als kritische Auseinandersetzung mit unserer Umgebung verstehen, bereichert das scheinbar kleine Detail unsere Vorstellungskraft. Wir können in dem Stahlbeton-Skelettbau von Martin Elsässer aus den 1920er Jahren den Versuch erkennen, ein System zu entwickeln, das schnell und mit wenig Material regelmäßig gesetzt Klassenräume mit vielen SchülerInnen unterbringen kann. In seine Elemente – die Unterzüge und die Stützen – zerlegt, wird sichtbar, wie das Tragen und Lasten funktioniert. Das Gerüst lässt sich ergänzen mit einer Tragstruktur, die den Bestand zitiert und sich über ihn aussteift, jedoch in seiner Materialität und Form absetzt. Käfer-Brettsperrholz – in CNC dem Tragverlauf entsprechend gefräst – ermöglicht es, die Struktur zu stellen. Zugleich können wir mit den Materialresten die inneren eingestellten Wandelemente formen, nachdem wir die nichttragenden Bestandswände entnommen haben. In den Ebenen stuft sich die Gemeinschaftlichkeit ab, von der bewegten Vorzone zum Hof hin, über die gemeinschaftliche Mitte zu den Rückzugsbereichen an den Rändern. Am Treppenaustritt wird man empfangen von einem Wasserbecken, das in ein Präsentationsforum und eine Pausenküche überleitet. Vier Garderoben für die Stammgruppen werden rückwärtig ergänzt um Gruppenzonen und individuellen Nischen. Die Nebenräume dienen besonderen Projekten, wie dem gemeinsamen Musizieren, oder naturwissenschaftlichen Arbeiten, die gesonderte Bedingungen an den Raum stellen. Der Dachgarten steht allen Gruppen offen, mit einem kleinen Auditorium, sowie Gestaltungs- und Lesezonen. Mit den sich in den Hof hin öffnenden Anbauten sowie der neu formierten Zonierung wird der Grundriss von den linearen Dimensionen der Flurschule befreit und wächst zu einer vielfältig gerichteten Lernlandschaft, über die sichtbare Freitreppe in den Hof und Hain und in die Nebengebäude.

Das Haus öffnet sich in dem untersten Geschoss zur Straße hin. Die Aula öffnet sich vom höhergelegten Hof über eine Sitztreppe auf den Vorplatz hin. Das Eltern-Lehrer-Café mit Bibliothek vermittelt zweigeschossig zwischen Haupthaus und seiner Umgebung. Die Werkstätten zur Ostseite lassen die jungen Lernenden und Lehrenden mit Kreativschaffenden allen Alters zusammenkommen. Die Nachbarschaft ist herzlich eingeladen, hier das Haus auch in den Abend- und Wochenendstunden mehrfach zu bespielen.

Bewegen wir uns aus dem Nest heraus und erleben weitere mannigfaltige Begegnungen. Mit unserem Wissen und den Erfahrungen wandern wir spielerisch durch Orte und Maßstäbe hindurch. Wir erkennen, wie Systeme funktionieren, und sehen ihre Wandelbarkeit. Wie die sog. kritische Theorie nach Horkheimer besagt: „Es muss nicht so sein, die Menschen können das Sein ändern, die Umstände dafür sind jetzt vorhanden.“ Gestalten wir gemeinsam die Frankfurter Schule(n) weiter!

Ausgezeichnet mit dem Fachbereichspreis für die beste Masterthesis und mit dem Förderpreis der Zeitschrift „wettbewerbe aktuell“

NEUE SCHULE – ALTES HAUS

Um das denkmalgeschützte Gebäude der Holzhausenschule weiterzuentwickeln und wiederzubeleben, ist eine klare Haltung im Umgang mit dem Bestand unumgänglich. Der Bestand wird soweit möglich minimalinvasiv behandelt, sodass er von außen klar als solcher erkennbar bleibt. Dabei ist vor allem der viergeschossige Riegel an der Eschersheimer Landstraße gestaltprägend und wird als „Gesicht des Denkmals“ in seiner äußeren Form erhalten.

Der Neubau ordnet sich in seiner Höhe dem Riegel unter und sitzt als Aufstockung auf den beiden niedrigen Gebäudeteilen des Bestandes im Westen. Er bildet in seiner Materialität, seiner Struktur und seiner Gestalt einen Kontrast zum Bestandsbau aus und hebt sich somit klar als Neubau vom Bestand ab.

Die Setzung des Neubaus rahmt den Schulhof und bildet somit einen geschützten Ort für Kinder. Die einladende Materialität und Filigranität des Holzbaus, die kleinteilige Setzung sowie die bodentiefen Fenster schaffen eine kindgerechte Umgebung.

Im Sinne der Nachhaltigkeit werden die vorhandenen Bauvolumen optimal genutzt. Daher wird die Topografie dahingehend verändert, dass das Untergeschoss des Bestandes natürlich belichtet wird. Dadurch entsteht im Schulhof eine große Sitztreppe, die zum Bewegen einlädt und für Veranstaltungen genutzt werden kann.

Das UG und EG des Bestandsriegels werden zur öffentlichen, durchlässigen Zone und sind durch einen Luftraum mit Sitztreppe miteinander verbunden. Hier befinden sich die Räume des Schulquartiers, wie zum Beispiel die Mensa und die Bibliothek. Weitere öffentliche Räume, wie die Lehrküche, der Jugendtreff, der Sportbereich und die (Turn-)Mehrzweckhalle befinden sich in den Gebäudeteilen am Haupteingang, sodass sie direkt vom Quartier aus sichtbar und zugänglich sind. Die Lerncluster befinden sich in den oberen Geschossen des Bestandsriegels sowie im Neubau im nördlichen Teil des Grundstücks.