Kranichstein hebt ab
Masterthesis Winter 2018/19

Hrsg. vom Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung (Prof. Dr. Annette Rudolph-Cleff)

1969 begann Im Nordosten von Darmstadt zwischen Kranichstein und Wixhausen am GSI Helmholtzinstitut die Forschung an Schwerionen mit dem Ziel, die Entstehung von Materie nachvollziehen zu können und ihre Konsistenz zu entschlüsseln. In den kommenden Jahren entsteht dort für rund 1,4 Milliarden EUR die Beschleunigeranlage für Ionen FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research), welche zukünftig einer internationalen Forschergruppe ein großes Spektrum experimenteller Wissenschaft zur Entwicklungsgeschichte des Universums, den Prozessen im All und zum Aufbau der Materie ermöglichen wird.

1400 Beschäftige sowie 3000 Wissenschaftler*innen aus 50 Ländern werden am GSI oder FAIR ihrer Arbeit nachgehen, bzw. forschen, doch wie werden sie leben und wohnen? Welche Wohnformen, Folgeeinrichtungen, Infrastrukturkonzepte, Ökologie, usw. müssen Kranichstein, Arheilgen oder Wixhausen entwickeln, um den Wissenschaftler*innen nicht nur einen einmaligen Arbeitsplatz am Helmholtzinstitut, sondern auch einen attraktiven Lebensmittelpunkt (auf Zeit, aber auch mit der Familie) in Darmstadt offerieren zu können? Im Rahmen der Master-Thesis stellen wir uns die Frage, welcher Strategien es in und für Kranichstein bedarf, um in der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main eine eigenständige Identität zu erhalten, oder zu kreieren, den Stadtteil auch für Wissenschaftler*innen aus der ganzen Welt attraktiv und erlebbar zu gestalten, als Baustein des großräumlichen Geflechts des Ballungsraums zu profitieren und zugleich der steigenden Nachfrage nach Wohnraum gerecht zu werden.

Ausgangspunkt & Konzeptidee

Der Ausgangspunkt dieser Arbeit liegt auf den Stärken vor Ort. Zum einen stellt die Wissenschaftsstadt Darmstadt in der wachsenden Metropolregion ein herausragendes Beispiel für Forschung, Innovation und wirtschaftliche Zusammenarbeit dar. Zum anderen hat das Planungsgebiet das Potential, Herausforderungen wie Integration internationaler Bevölkerungsgruppen oder Wohnraumangebote für den wachsenden Wohnraummangel und unterschiedliche Wohnbedarfe anzubieten. Dabei bilden die umgebenden Landschaftsräume wie Bergstraße, Vorderer Odenwald, Messeler Hügelland und Oberrheinische Tiefebene sowie die vielen Wegeverbindungen und Bachläufe ein regionales Grünsystem, das Teil des ‚grünen Darmstadts‘ ist.

So entsteht die Idee, den Ostrand von Wixhausen als Verbindungsglied im städtischen Grünsystem und als Vernetzungsort für Wissenschaft, Wohnen und Kultur zu sehen. Somit wird die Außenwirkung des GSI gestärkt und als Teil der Wissenschaftsstadt Darmstadt im Gedächtnis der Bevölkerung verankert. FAIR, Wissenschaftler, die Stadt Darmstadt und seine Bevölkerung sollen gleichermaßen von dem Großforschungsprojekt FAIR bzw. voneinander profitieren. Offenheit, Austausch und Innovation stehen im Fokus, ein isolierter Campus soll vermieden werden.

Entwurfsziele

Ziel ist es, den ForscherInnen nicht nur einen spannenden Arbeitsplatz, sondern auch ein attraktives Zuhause auf Zeit zu bieten. Unterschiedlichste Menschen werden zusammen gebracht und Angebote geschaffen, sich als Teil der Gesellschaft und der Stadt zu fühlen, indem reale Begegnungspunkte bzw. -räume schaffen werden. Außerdem sollen die Neubauten mit verschiedenen Wohnmöglichkeiten für vielfältige Lebensstile mit variierender zeitlicher Aufenthaltsdauer eine Landmarke und zugleich ein neues Aushängeschild der GSI werden.

Massnahmen

Ein Naturraum, der sowohl das FAIR mit den Nachbarstadtteilen verzahnt, als auch ein neu wahrnehmbares Naherholungsgebiet mit verschiedenen Aktivitäts-, Erholungs-, Informations- und Aufenthaltsmöglichkeiten darstellt, verbindet die zwei mit unterschiedlichen Schwerpunkten ausgebildeten Standorte.

Direkt am GSI-Campus bildet der Turmkomplex mit Besucherzentrum, Gästehaus und Aussichtsplattform eine weit sichtbare und markante Landmarke. Das skulpturale Turmgebäude aus 11 Geschossen bietet zum einen für GSI-Mitarbeiter mit kürzerem Aufenthalt Gästezimmer mit kurzen Wegen zu den Laboren. Weiterhin liegt ein Augenmerk auf dem Besucherzentrum, bestehend aus einem großzügigen, zweigeschossigen Foyer und Räumen für Schülerlabore, Gastronomie, Auditorium, Seminaren sowie Bibliothek als besondere Schnittstelle zwischen Wissenschaftlern und Besuchern. Der Bau wird durch den vorgelagerten ‚Platz der Ionen‘ prägnant als internationales Forschungszentrum inszeniert.

Demgegenüber bietet das neue Wohnquartier nahe der Stadtmitte andere Qualitäten für GSI-Gäste mit längerem Aufenthalt. Hier können Forscher und auch Darmstädter gemeinsam nach dem Konzept des Shared-Living leben, das dem Grundsatz ‚Weniger private Wohnfläche – mehr Gemeinschaftsfläche‘ folgt, indem an die benachbarten Wohngebiete ein zentraler Quartiersweg sowie ein Quartierscafé als Auftakt- und Anlaufstelle angeordnet wird. Der Übergang zwischen privaten, nachbarschaftlichen und öffentlichen Einrichtungen und Nutzungen, sowohl innerhalb von Gebäuden als auch im öffentlichen Raum verschwimmt bewusst; ein Aktionsraum für bereits hier verortete und neue Gemeinschaften wird ermöglicht.

Die Grundlage für die Reduktion des MIV-Anteils im Mobilitätskonzept bilden der Ausbau von Rad- und Fußwegeverbindungen sowie die Erweiterung des bestehenden ÖPNV-Systems durch die Straßenbahnlinie und Bussen, die direkte Verbindungen zwischen GSI, Wixhausener Wohnquartiere, Kranichsteiner Bahnhof und Darmstädter Hauptbahnhof schaffen.

© Kathrin Benstem, Laura Takla

© Kathrin Benstem, Laura Takla

© Kathrin Benstem, Laura Takla

© Kathrin Benstem, Laura Takla

© Kathrin Benstem, Laura Takla

© Kathrin Benstem, Laura Takla

© Kathrin Benstem, Laura Takla

© Kathrin Benstem, Laura Takla

© Kathrin Benstem, Laura Takla

© Kathrin Benstem, Laura Takla

Ausgangspunkt & Konzeptidee

Das Wohnen in der Stadt wird durch die ungebrochene Nachfrage stets teurer und drängt viele potenzielle Städter an die Peripherien. Diesen Trend sieht die Arbeit „Mehr als Fair“ kritisch, sie stellt ein Wachstum der Stadt an ihren unbebauten Rändern in Frage. Infolgedessen ist die Aufgabe der Unterbringung der Gastwissenschaftler ein Auftakt, um auf die generelle Frage nach bezahlbarem Wohnraum in Darmstadt zu reagieren.

Entwurfsziele

Kriterium bei der Auswahl der Standorte ist eine gut funktionierende Anwohner- und Verkehrsinfrastruktur, um diesbezüglich keine gravierenderen Eingriffe unternehmen zu müssen. Diese Bedingung schließt in Anbetracht des Maßstabs der Intervention die angedachten Baufelder in den Feldrandlagen bei Arheilgen, Darmstadt-Wixhausen und Kranichstein kategorisch aus. Anstelle einer Projektentwicklung ‚auf der grünen Wiese‘ in unflexiblen und maßstäblich wenig geeigneten Infrastrukturen setzt die Arbeit auf das Schließen von Lücken in bestehenden Strukturen und übernimmt an den gewählten Standorten jeweils Schanierfunktionen im Stadtgewebe.

Massnahmen

Die drei Setzungen eines weithin sichtbaren Hochhauses direkt am GSI-Gelände sowie zweier kontextsensibler Hofkomplexe im Kern von Kranichstein und in direkter Nachbarschaft zum S-Bahnhof Arheilgen finden als drei differnenzierte Charakterorte auf beinahe jede Anforderung bzw. Vorliebe der Gastwissenschaftler und Darmstädter eine Antwort.

Das Mobilitätskonzept betreffend ist die weiteste Entfernung (Standort Kranichstein) in maximal 14 Minuten mit dem Rad zurückzulegen (11 Min. nach Arheilgen). Beide Standorte sind für sich gesehen optimal an das ÖPNV Netz angebunden und werden hinsichtlich des Standortes GSI um ein Bus-Shuttle ergänzt, welches zu den Haupt-Strahlzeiten des FAIR in einer bedarfsorientierten Frequenz zwischen Kranichstein über Arheilgen zum Campus GSI/FAIR verkehrt.

© Falk Benz, Aaron Schroeder

© Falk Benz, Aaron Schroeder

© Falk Benz, Aaron Schroeder

© Falk Benz, Aaron Schroeder

© Falk Benz, Aaron Schroeder

© Falk Benz, Aaron Schroeder

© Falk Benz, Aaron Schroeder

© Falk Benz, Aaron Schroeder

© Falk Benz, Aaron Schroeder

Ausgangspunkt & Konzeptidee

Darmstadt weist als Wissenschaftsstadt eine 20-jährige Entwicklung als stärkster Innovationsstandort und starkes High-Tech Zentrum in der Metropolregion Rhein-Main auf. Das Großbauprojekt der Anlage für Erforschung der Antiprotonen und Ionen – das sogenannten FAIR Projekt – stellt für die nahe Zukunft Darmstadts einen außergewöhnlichen Entwicklungsmotor dar.

Am FAIR wird mit dem Besuch von circa 3.000 internationalen Wissenschaftlern pro Jahr gerechnet. Ein forschungsbezogener Aufenthalt am FAIR ist zumeist mit einem Aufenthalt von mehreren Tagen bis zu einem Jahr verbunden. Da der Forschungsablauf im Schichtbetrieb erfolgt, ist eine räumliche Nähe der Wohnungen zum GSI vorteilhaft. Das vorhandene Flächenpotential der GSI in Wixhausen-Ost in Standortnähe und die relativ günstigen Grundstückspreise für Wohnbauland hier könnte neben Wissenschaftlern der GSI auch für Menschen attraktiv werden, die gerne stadtnah und gut angebunden wohnen. Die Zielgruppe reicht von jungen Familien über Studenten bis zu Beschäftigten in der kreativen Dienstleistungsbranche.

Die Entwurfsverfasser beobachten jedoch, dass das Forschungsinstitut durch seinen Standort in versteckter und solitärer Lage im Walde und an den Vororten Wixhausens seiner Bedeutung bisher nicht gerecht wird.

Entwurfsziele

Übergeordnete Ziele des Entwurfs sind deshalb den GSI Campus an Wixhausen stadtteilverträglich anzubinden, den Weg zum Campus aufzuwerten und Darmstadt als Wissenschaftsstadt zu stärken. Dies geschieht durch den Ausbau nachhaltiger Mobilität und die Aufwertung des vorwiegend von Gewerbe geprägten östlichen Teils von Wixhausen. Zudem bilden bauliche Maßnahmen in Form von Flächenkonversion und Quartierserweiterung einen neuen Wohnstandort für die Stadt Darmstadt aus.

Massnahmen

Die Umsetzung der Ziele erfolgt über eine phasenweise Entwicklung der Potentiale, die sich an den jeweiligen Bedarf orien

-tieren. Massgeblich ist die Neugestaltung der ehemaligen Messeler-Park-Straße, die auf unterschiedliche Weise zur Allée zum Universum ausgebaut und vielseitig aufgewertet wird. Diese und weitere Entwicklungsstufen wirken als Impulsgeber für weitere bauliche Maßnahmen am attraktiv gewordenen Wohnstandort Wixhausen-Ost dar.

Längerfristig entwickelt sich der Stadtteil in östlicher Ausrichtung weiter an der Allée zum Universum und bildet weitere Wohnquartiere mit Infrastruktur in den Erdgeschosszonen aus, um den verschiedenen Wohnbedürfnissen für temporäre oder längerfristige, individuelle aber auch familienorientierte Aufenthalte gerechter zu werden.

Die Phasen gestalten sich wie folgt:

1. Der neue Campus wird mit der Erweiterung der Tramlinie direkt an das ÖPNV-Netz Darmstadts angeschlossen, nicht nur um das GSI damit gut zu erschließen und damit wahrnehmbarer zu machen, sondern um auch die Mobilitätsdefizite von Wixhausen zu verbessern. Das geplante Mobilitätskonzept bietet hier zudem einen Fahrradschnellweg an. Am GSI Gelände entsteht ein Vorplatz, der sogenannte Platz der Materie, auf dem die Kehrschleife der Tram liegt.

2. Die erste bauliche Maßnahme in Form des neuen Besucherzentrums des GSI Campus am Platz der Materie, dem FAIR Forum, bildet als Bindeglied zwischen öffentlichem Raum und Campus den repräsentativen Hauptzugang zum Betriebsgelände. Der durchgrünte Campusvorplatz ist nicht nur Ankunftsort für die Straßenbahn, sondern dient zudem als Treffpunkt für Wissenschaftler und Externe.

3. In der dritten Phase werden weitere Gebäude wie der Wohnriegel mit kompakten Gästezimmer für GSI-interne WissenschaftlerInnen, die Kindertagesstätte sowie die Sporthalle, am Platz der Materie zu einem räumlichen Gebäude-Ensemble ausgebildet. Die Erdgeschosszonen bieten Fahrradstellplätze und platzorientierte, kleinere Nahversorger sowie Dienstleister.

4. Durch diese Maßnahmen soll sich die Qualität des Wohnumfelds erhöhen. Es folgen der Abriss des alten Betriebshofs der GSI und die Entwicklung eines neuen, preisgünstigen Wohnquartiers Wohnen am Hasenpfad in Kooperation mit der örtlichen Wohnungsbaugenossenschaft, der GWW. Die Ost-West ausgerichteten Zeilenbauten sind maximal viergeschossig. Sie definieren Garten- und Erschliessungsräume. Es ist ein Ort, wo sich die Bewohner kennenlernen und die Kinder auf der Straße spielen. Gemäss der Ausgangslage sollen die Neubauten als kostengünstige, grundrissflexible Häuser konzipiert sein, mit dem Fokus auf der Gebrauchstauglichkeit der Geschosswohnungen und dem Individualbereich der Bewohner.

5. Interessierte private Investoren sollen nicht nur zur Entstehung des Boardinghaus für temporäres Wohnen in kleinen Wohnungen beitragen, sondern auch den zweiten Teil des Wohnquartiers am Hasenpfad umsetzen. Die ehemalige Baustellenzufahrtsstraße wird als Quartiersstraße endgültig voll ausgenutzt.

© Kai Gerner, Luisa Ruffertshöfer

© Kai Gerner, Luisa Ruffertshöfer

© Kai Gerner, Luisa Ruffertshöfer

© Kai Gerner, Luisa Ruffertshöfer

© Kai Gerner, Luisa Ruffertshöfer

© Kai Gerner, Luisa Ruffertshöfer

© Kai Gerner, Luisa Ruffertshöfer

© Kai Gerner, Luisa Ruffertshöfer

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