Neue Schauspielschule Hannover
Masterthesis Wintersemester 2020/21

Herausgegeben vom Fachgebiet Entwerfen und Gebäudelehre (Prof. i.V. Ruben Lang)

Ein neuer, zentraler Standort für alle Abteilungen des Studiengangs für Schauspiel an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover soll in Bahnhofsnähe durch die Neuüberbauung des Parkplatzgeländes der Deutschen Bahn geplant werden. Die einzelnen Fachrichtungen sind derzeit am Standort auf dem ehemaligen Expo-Gelände situiert, der aufgegeben und in dem zu planenden Gebäude zusammengefasst werden soll. Der Studiengang Schauspiel soll zurück in die Stadt geholt und somit durch die (wieder) gewonnene Nähe zu den anderen Fachbereichen der Hochschule Synergien genutzt werden. In diesem Zuge wird ebenfalls eine Vergrößerung des bestehenden Fachbereichs vorgenommen, um der immer größer werdenden Nachfrage des Studiengangs Rechnung zu tragen.

Der Planungsumfang umfasst einen Neubau mit rund 10.000 m² Bruttogrundfläche auf der Grundlage des Raumprogramms, das von einer Hauptnutzfläche von 4.565 m² ausgeht.
Das zentral gelegene Grundstück unweit des Hauptbahnhofs Hannover liegt an der Augustenstraße Ecke Königstraße. Es wird im Westen durch die hochgelegene Bahntrasse begrenzt. Richtung Osten und Norden wird es durch die 4- bis 5-geschossige Blockrandbebauung gerahmt. Die schmalste Stelle des Grundstücks Endet an der Königstraße. Das Grundstück weist eine Fläche von ca. 4.900 m² auf.
Zwei kleinere (Interims-)Gebäude am nördlichen Ende des Grundstücks stehen für die Entwurfsaufgabe zur Disposition. Es darf an die Bahntrassenwand angebaut werden. Für das zu entwerfende neue Gebäude des Fachbereichs Schauspiel der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover gilt keine Höhenbeschränkung.

Die Außenflächen sind der zukünftigen Nutzung entsprechend attraktiv zu gestalten. Hierbei soll neben den funktionalen Anforderungen an Andienung und Erschließung des Gebäudes im Rahmen der Möglichkeiten auch Bereiche mit Aufenthaltsqualität für die Nutzer und Vernetzungspotenzialen in die Stadt Hannover vorgesehen werden. Besonderes Augenmerk liegt auf der Adressbildung und der Auffindbarkeit des Gebäudes sowie der Gestaltung der neuen Eingangs-und Zugangssituation. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage von Anordnung und Ausbildung des Haupteingangs zu klären, der für Nutzer und Gäste gleichermaßen funktional und gestalterisch ansprechend sein soll.

Die architektonische Gestaltung des Neubaus soll dem Thema Schauspielschule aber auch dem städtebaulichen Umfeld gerecht werden. Die barrierefreie Erschließungsstruktur im Innern soll eine gute Orientierbarkeit im Gebäude ermöglichen. Die zentralen Bereiche und hierbei insbesondere die Studiobühnen sollen, auch für Gäste, gut auffindbar sein. Das Foyer soll seiner Funktion als zentralem Anlaufpunkt für die Studierenden und Lehrenden aller Fachrichtungen entsprechen. Gleichzeitig soll auch für Gäste, die die Theateraufführungen in den Studiobühnen besuchen, der Eingangsbereich ansprechend gestaltet werden.

Der Entwurf bedient sich den Vorzügen des offenen Blockrands, wie dem Lärmschutz, der Trennung von Öffentlichkeit und Privatem und stiftet überdies einen “Campus-charakter”: eine dynamische Frequentierung, die Begegnungen zulässt und fördert.
Der Wegeauftakt (Süd) wird durch einen kleinen Park markiert. Als Hommage an den Vorplatz des Opernhauses, dem “Operndreieck”, möchte er als grünes Schmuckstück des Theaterbaus verstanden werden.
Eine grobkörnige, hochpigmentierte Sichtbetonwand – auf welcher der feinkörnige “leichte” Theaterkubus aufliegt und durch deren Öffnungen man Blicke auf verschiedenste Rauminszenierungen erhält – leitet einen spannungsvoll durch den Campus. Das präsente Rot, mit seiner leicht bläulichen Farbmischung erlaubt, um Le Corbusier zu zitieren, “die exakte Einschätzung der Volumina” und “fixiert die Wand”. Das Schwarz veredelt und bekräftigt den Studiocharakter der “schwarzen Kästen”. Die Schauspielschüler stehen im Mittelpunkt des Entwurfs – die Visualisierungen zeigen bewusst “publikumsleere” Räume und veranschaulichen dass diese auch ohne Zuschauer funktionieren und wirken.
Die drei Plätze, mit ihren Nebenplätzen, entlang der Wegeachse, unterscheiden sich neben ihrer Größe auch in ihrer topografischen Lage. Der tieferliegende Platz, wird von dem großen Studio, dem Untergeschoss des Cafés und der Bibliothek gerahmt – der künstlich erhöhte Abstand zur Bahnhofs-Trasse sorgt dafür, dass sich die Schüler hier buchstäblich in Ruhe über einen längeren Zeitraum ohne Ablenkung aufhalten können.

Der „Theaterplatz“ liegt prominent und öffentlichkeitswirksam inmitten des Gebäudeensembles. Unter ihm liegt die Lobby, als internes Verbindungsglied aller Gebäude.
Der Entwurf schärft bei Schülern, Besuchern und Passanten gleichermaßen das Verständnis dafür, was Schauspiel bedeutet. Sensibilisierend, inspirierend, stimulierend – der ganze Raum wird zum Theater – ob man sich als Zuschauer oder Akteur in ihm bewegt, obliegt ganz der eigenen Entscheidung.

Das Bauvolumen gliedert sich in drei Gebäudeteile. Der Sockel, welcher sich in Höhe und Materialität an die anliegende Bahntrasse anpasst und zugleich den Freiraum in Werkhof und Vorplatz gliedert. Dieser dient der Vernetzung mit der Stadt und fungiert als Impuls für das Quartier nördlich des Hauptbahnhofs. Die Gebäudekanten der Nachbarbebauung nimmt der liegende Baukörper auf. Der Hochpunkt generiert einen übergeordneten Bezug zur gegenüberliegenden Seite des Gleisbettes und prägt das Stadtbild Hannovers.
Ein miteinander verwobenes Erdgeschoss und erstes Obergeschoss sind öffentlich zugänglich. Über das Foyer, einen in Teilen offenen Fundus, flexibel nutzbare Bühnenaufbauten und dem Werkhof werden dem Besucher verschiedene Einblicke in die Facetten des Schauspiels und der dazugehörigen konstruierten Illusion geboten.
Im Hochpunkt befinden sich die hochschulinternen Nutzungen. Neben der Verwaltung und Seminarräumen sind dort Studiobühnen und Proberäume angeordnet. Über Galerien mit einer zusätzlichen Erschließung werden Blickbeziehungen zwischen den Geschossen ermöglicht und die Kommunikation unter den Studenten gefördert.
Die verschiedenen Nutzungen beider Bauvolumen verbindet die rot pigmentierte Betonfassade auf Basis des geschosshohen Sockels und lehnt sich in ihrer Farbigkeit an den norddeutschen Backstein an. Das Wechselspiel aus offenen und geschlossenen Fassadenelementen im Hochpunkt wird durch vereinzelte Störungen akzentuiert. So spiegelt das Rundfenster die überhöhte Studiobühne nach Außen wider. Zu den Bahngleisen übernimmt ein Vorsprung die Funktion des Strommastes und integriert sich somit hervorragend in die städtebauliche Situation.
Das horizontale Volumen wird durch eine vertikale Gliederung strukturiert. Mittels Rücksprüngen in den Fassaden variiert zudem das Erscheinungsbild im Tagesverlauf durch einen sich wandelnden Schattenwurf.

Jessica Marie Busch hat für ihre Arbeit einen wa-Förderpreis der Zeitschrift „wettbewerbe aktuell“ erhalten.

Das neue Hochschulgebäude setzt durch einen Hochpunkt seine Adressbildung Richtung Königstraße. Dieser prägnante, turmartige Baukörper ist nicht nur das Gesicht der Schule, er gliedert sich auch in die Achse der Schauspiel- und Theaterhäuser ein. Das niedrigere Volumen des Gebäudes ordnet sich der direkten Blockrandbebauung unter, greift die Höhen und die städtebaulichen Kanten des Kontextes auf und ist der Gegenpol zum vertikal gerichteten dynamischen Hochpunkt. Durch die Setzung entstehen zwei unterschiedliche Plätze. Zum einen ein extrovertierter, städtischer, zum anderen innerhalb des Gebäudes ein nicht öffentlicher Platz für die Studenten.
Der Hochschulbetrieb erstreckt sich horizontal über das flache Volumen, der öffentlich genutzte Bereich ist vertikal angeordnet. Zum Lehrbetrieb gehören eine Bibliothek, Werkstätten, sowie diverse Proberäume. Studiobühnen und das große Studiotheater befinden sich im Hochpunkt. Außerhalb der Spielzeiten wird der Turm durch die Nutzung der Studiobühnen belebt. Eine Dachterrasse verbindet beide Nutzungseinheiten.
Da im Theaterbereich schnelle und kurze Wege essentiell sind, verbindet beide Volumen eine gerade Durchwegung. Die einzelnen Nutzungen sind s-förmig angeordnet, um eine kommunikative Ebene zu schaffen. Durch die unterschiedlichen Raumhöhen entstehen galerieartige Situationen, die teilweise Einblicke in Proberäume ermöglichen.
Die Konstruktion ist eine Stahlbetonskelettbauweise. Rot eingefärbte, vorgehängte Betonfertigteile in vertikaler und horizontaler Richtung erzeugen in der Fassade eine gewisse Tiefe und betonen zusätzlich den Skelettbau des Gebäudes. Die monotonen Fassadenfelder werden durch verschiedene Module im Wechselspiel gebrochen und belebt. Der Sichtschutz aus pulverbeschichteten Streckmetallplatten ist im Hochschulbereich variabel verschiebbar. Innen besteht die Materialwelt aus grauem Sichtbeton, vielfarbigen Terrazzofliesen und Möbelstücken aus Holz. Zudem ist eine vielfältige Begrünung vorgesehen.

Der Entwurf verfolgt das Ziel räumlich zwischen den zwei Welten, dem Stadtraum Hannovers und der höhergelegenen Bahnanlage mit ihren ein- und ausfahrenden Zügen zu vermitteln. Aus dem verbindenden Sockel heraus entwickeln sich drei Volumen. Wie drei Schauspieler auf einer Bühne treten sie innerhalb des neuen Ensembles vor der Stadtkulisse Hannovers auf. Das SCHAUhaus: Allseitig beschick- und bespielbar können im großen Hauptsaal des Studiotheaters vor knapp 200-köpfigem Publikum Inszenierungen zum Besten gegeben werden. Das SPIELhaus: In einem Spiel aus Positiv- und Negativraum und dem Wechsel aus Kunst- und Tageslicht treffen in diesem Gebäude die 5 Studiobühnen der Schauspielschule aufeinander. Das SCHULhaus: In dem straßenbegleitenden Volumen sollen die Möglichkeiten und auch die Grenzen einer offenen Grundrisstypologie ausgereizt werden, Probe- und Seminarräume lösen Administration und Verwaltung ab. Der neu ergänzte Stadtbaustein der Schauspielschule kommt dem Wunsch nach zunehmendem Dialog und Austausch mit der Stadt, sowie enger Zusammenarbeit und möglichen Gastauftritten anderer Hochschulen, Ensembles, Arrangements und Kunstschaffenden innerhalb und außerhalb Hannovers entgegen. Neben den Backstage-Bereichen und den Werkstätten sind die Flächen innerhalb des Sockels multicodierbar und können so durch die Protagonisten jeweils temporär flexibel bespielt werden – in gegenseitigem Austausch entsteht dadurch ein facettenreicher Spielplan. Die Studierenden erlernen durch und mit ihrem Gebäudeensemble das Handwerk des Schauspiels.

Der Entwurf schlägt ein Gebäude in zentraler Lage vor, welches das Schauspiel zurück in die Innenstadt holt und sowohl Lehre, als auch Vorführungen und Veranstaltungen angemessenen Raum bietet.
Der Entwurf rückt bewusst etwas von der Straßenachse ab und eröffnet einen kleinen städtischen Platz, der dem Campus eine Adresse und Studierenden, Besuchern und Passanten einen Treff- und Verweilort bietet.
Die Grundidee des Entwurfes bildet die Stapelung der Bühnen in einem Turm mit einer sich darum empor drehenden Vertikalerschließung. Aus logistisch notwendigen Bühnenumgängen werden so qualitative Aufenthaltsflächen, die die Flexibilität der Bespielbarkeit erhöhen und flexibel genutzt werden können. Über einen Lastenaufzug werden alle Bühnen vertikal beschickt, durch die Lage der Werkstätten und Fundusräume im Sockel des Turms sind die Transportwege minimiert und effizient. Auch größere Veranstaltungen durch externe Ensembles sind möglich.
Der Turm vertritt das Hochschulwesen vor der Hannoverschen Hochhausszene und gibt dem Schauspiel wieder einen Auftritt in der Öffentlichkeit.
Die Lage des Turmes ist dabei bewusst in den nördlichen Teil des Grundstückes gelegt. Zum einen grenzt hier keine Wohnbebauung an das Grundstück, zum anderen nimmt das Gebäude so die anwachsende Höhenentwicklung der Umgebung zur Innenstadt hin auf. Eine Belebung des sehr ruhigen Bereiches um die Verwaltungsgebäude kann erfolgen, indem die Verbindung zwischen Königstraße und Hauptbahnhof durch den Turm markiert und sichtbar wird.
Abgesehen von dem Turm nimmt sich das Gebäude in seiner Höhe zurück und bleibt niedriger als die benachbarte Wohnbebauung. Das Erdgeschoss fungiert als Sockel, der sich an die Bahntrasse anschmiegt. Dort, wo das Gebäude von der Bahn abspringt, entstehen Innenhöfe, die intimen Außenbereich bereitstellen und der Belichtung dienen. Auf dem Sockel sitzen neben dem Turm noch Riegel und Halle, welche die Räumlichkeiten der Lehre und der Bibliothek aufnehmen.

Die Schauspielschule orientiert sich mit ihrer Kubatur an der umliegenden Bebauung und fügt sich harmonisch in den städtebaulichen Kontext ein. Der Haupteingang richtet sich zur Königstraße und bildet dort einen Vorplatz aus.
Die Besonderheit des Gebäudes zeigt sich in der Fassade und der inneren Raumkonfiguration.
Es wird bewusst auf eine Massengliederung der Kubatur in verschiedene Funktionsbereiche verzichtet, um eine größtmögliche Durchmischung der unterschiedlichen Nutzergruppen zu erzielen. So werden die öffentlichen Studiobühnen ins Innere des Gebäudes gezogen und all das, was dem Zuschauer gewöhnlich im Theater verborgen bleibt, wird an die Fassade getragen, um die Entwicklung des Theaterstücks mitsamt seiner Schauspieler von der Probe bis zur finalen Aufführung und auch die damit einhergehende Arbeit und Leidenschaft von Außen und Innen erlebbar zu machen.
Sichtbezüge sowie die vertikale Kommunikation sind folglich die zentralen Entwurfsgedanken der inneren Raumkonfiguration. Außerdem werden Erschließungswege durch Aufweitungen zu multifunktionalen Begegnungsflächen und fördern die interne Kommunikation. Durch Vorhänge abgetrennt dienen sie zudem als zusätzliche Unterrichtsräume.
Die Schul- und Backstageräume spielen mit dem Kontrast von Introversion und Extraversion. So gibt es Räume, die der Stadt den Rücken zukehren und solche, die sich prägnant zum Stadtraum öffnen und sich diesem präsentieren, um eine spannende Außenwirkung zu erzielen. Das gesamte Gebäude versteht sich als große Bühne, die Passanten und Besuchern Einblicke in das Schauspiel gewährt und sie zum Verweilen einlädt.
Für größtmögliche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit wird das Gebäude in Skelettbauweise konstruiert. Eine transluzente Doppelfassade bestimmt das äußere Erscheinungsbild im Stadtraum und bietet gleichzeitig energetische und schallschutztechnische Vorteile. Zusätzlich wird trotz der großen Gebäudetiefe eine angenehme, natürliche Belichtung ermöglicht.