Ausgezeichnete studentische Forschung
Verleihung des Heinz-Stillger-Preises am Fachbereich Architektur
12.12.2022
Am 7. Dezember 2022 wurde am Fachbereich Architektur der TU Darmstadt zum fünften Mal der Heinz-Stillger-Preis für herausragende studentische Forschungsarbeiten verliehen. Ausgezeichnet wurden fünf Forschungsprojekte, die die ganze Breite architektonischer Forschung aufzeigen.
Themen waren u.a. der Vergleich von Zertifizierungssystemen im Bereich des nachhaltigen Bauens, experimentelle Materialforschung, städtebaulich-historische Untersuchungen und typologische Analysen zu flexiblen Grundrissen.
Ziel des Heinz-Stillger-Preises ist eine Stärkung des Stellenwerts der Forschung in der Lehre und eine Förderung der Durchgängigkeit vom Bachelor über den Master in die Forschung und Promotion.
„Mit dem Stillger-Preis verändert sich etwas.“
Im Rahmen der Preisverleihung am Tag der Forschung des Fachbereichs hob Dekanin Prof. Dr. Christiane Salge die Bedeutung des Preises hervor: „Mit dem Stillger-Preis verändert sich etwas. Sich als Lehrende*r zu überlegen, welche Arbeiten man nominiert, das ist ein guter Moment darüber zu reflektieren, was denn gute wissenschaftliche Forschung ist.
Ebenso wichtig sind die Vorträge der Nominierten für den Stillger-Preis – für die Nominierten selbst, aber auch für alle anderen Studierenden, die dadurch Anregungen bekommen, was sie und wie sie selbst Forschung betreiben können.“
Gestiftet wird der Preis von der in Wiesbaden ansässigen HEINZ-STILLGER-STIFTUNG. Zweck der 1995 gegründeten Stiftung ist u. a. „die Finanzierung von Forschung und Wissenschaft auf dem Gebiet der Architektur“ und „die Unterstützung begabter und förderungswürdiger Studierender der Architektur“.
Eine Besonderheit des Preises ist das zweistufige Auswahlverfahren. Nach der Nominierung der Projekte durch die Fachgebiete wählte die Jury (bestehend aus Prof.’in Kerstin Molter (Hochschule Mainz), Prof.i.V. Martin Baur, Dr. Mieke Pfarr-Harfst, Dr. Andreas Noback sowie den Studentinnen Patricia Dauenhauer und Tabea Oberle) fünf Projekte für die zweite Juryrunde ein. In dieser präsentierten die nominierten Studentinnen ihre Projekte vor Publikum in Form eines Science Slams. Dieser fand – wie auch die Preisverleihung – im Rahmen des „9. Tages der Forschung“ des Fachbereichs statt.
Der Preis ist mit insgesamt 5.000 Euro dotiert, die auf die fünf Nominierten aufgeteilt wurden.
Die Preisträgerinnen und ihre Arbeiten
1. Preis
Bernadette Lang-Eurisch
„Der Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand 2050 – Gegenüberstellung der Zertifizierungssysteme nach DGNB, LEED und BREEAM“
Eingereicht vom Fachgebiet Entwerfen und Nachhaltiges Bauen
Bernadette Lang-Eurisch untersucht in ihrer Forschungsarbeit die drei bekanntesten international etablierten Zertifizierungssysteme für die Nachhaltigkeit von Gebäuden. In einer detaillierten Analyse stellt sie die Kriterien nach denen die Gebäude zertifiziert werden gegenüber. Im Vordergrund stehen dabei insbesondere die C02-Betrachtung mittels Ökobilanzierungsmethoden und der Quartiersbezug in den Zertifizierungsprozessen.
Ihr gelingt es, die Themenstellung und die sich daraus ableitenden Fragestellungen durch die Erstellung einer Bewertungsmatrix sehr übersichtlich und nachvollziehbar zu beantworten. Insbesondere die von ihr erstellten Diagramme haben einen hohen Erkenntniswert. Sie beschreibt die Potenziale und Grenzen der Systeme und zeigt Weiterentwicklungsmöglichkeiten auf, die die Bilanzierungsmethodik im Zertifizierungsprozess verbessern sollen.
Die Jury überzeugte insbesondere der hohe Grad an eigenständiger und methodisch schlüssiger Vorgehensweise bei der Bearbeitung der Forschungsfrage, der sich nicht zuletzt in der inhaltlichen Tiefe der Forschungsdokumentation äußert.
(Dotiert mit 2.000 Euro)
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2. Preis
Clara Wolf
„Zementfliesen – Farben und Mischverhältnisse. Ein experimentelles Forschungsmodul zur Bestimmung des Pigment- und Wasseranteils in der Farbschicht handwerklich hergestellter Zementfliesen“
Eingereicht vom Fachgebiet Plastisches Gestalten
Clara Wolf setzt sich in ihrem Forschungsprojekt mit der handwerklichen Herstellung von Zementfliesen auseinander. Ihr Ziel ist es, die Herstellung der Farbschicht der Zementfliese über Versuchsreihen zu optimieren und zu dokumentieren, um reproduzierbare Ergebnisse u.a. hinsichtlich der erzielten Farbtöne zu ermöglichen.
Clara Wolfs Projekt ist ein hervorragendes Beispiel für angewandte architektonische Forschung. Ihre Arbeit analysiert ganz handgreiflich grundlegende Prozesse bei der Fertigung von architektonischen Gestaltungselementen. Die Arbeit trägt mit handwerklicher Präzision zur Wiederverfügbarmachung dieser alten Technik bei und ist somit auch ein Beitrag zur Bewahrung des kulturellen Erbes. Frau Wolfs Arbeit ermöglicht Planer*innen selbst aktiv auf Fertigungsmethoden zuzugreifen, um sich so von vorgefertigten industriellen Produkten unabhängig zu machen.
(Dotiert mit 1.500 Euro)
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3. Preis
Jeanne Bieneck
„Rekonstruktion von Identität in der Frankfurter Saalgasse. Haben die postmodernen Stadthäuser der Saalgasse eine identitätsstiftende Bedeutung bezogen auf die zerstörte Altstadt?“
Eingereicht vom Fachgebiet Architektur- und Kunstgeschichte
Jeanne Bieneck beschäftigt sich in ihrer Bachelorarbeit mit den in Frankfurt ab 1980 im Zusammenhang mit dem Bau der Schirn Kunsthalle errichteten postmodernen Häusern in der Saalgasse. Diese sind Teil der kritischen Rekonstruktion der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Frankfurter Altstadt. Im Zentrum der Arbeit steht die Frage, inwiefern die Bauten der Saalgasse, die im Sinne der Postmoderne assoziativ und ironisch auf die historischen Vorbilder verweisen, zur Identität der Stadt Frankfurt beitragen.
Anhand von drei ausgewählten Häusern arbeitet Jeanne Bieneck akribisch die Rückbezüge auf die historischen Altstadthäuser und ihre identitätsstiftende Bedeutung für die Stadt Frankfurt heraus. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Saalgasse durchaus ein Angebot zur Identifikation darstellt, dass den Betrachter*innen jedoch ein gewisses Transferdenken abverlangt.
(Dotiert mit 1.000 Euro)
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Anerkennungen
Kim Weyrauch
„Mannheim und Heidelberg – Städtebauliche Leitbilder der Nachkriegszeit im Vergleich“
Eingereicht vom Fachgebiet Architekturtheorie und –wissenschaft
In ihrer Forschungsarbeit untersucht Kim Weyrauch die beiden Nachbarstädte Heidelberg und Mannheim, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg von diametral gegensätzlichen Ausgangspositionen starteten. Auf der einen Seite die fast vollständig zerstörte Industrie- und vormalige Residenzstadt Mannheim, auf der anderen Seite die beschauliche Universitätsstadt Heidelberg mit einem nahezu unversehrten Baubestand. Beide Städte sind Paradebeispiele für die unterschiedlichen städtebaulichen Leitbilder nach 1945, die entweder den Erhalt des historischen Stadtbildes oder den radikalen Neuaufbau gemäß einer gegliederten und aufgelockerten Stadt propagierten.
Vor dem Hintergrund der konträren Haltungen konzentriert sich Kim Weyrauch in ihrer Forschungsarbeit jedoch nicht auf die paradigmatischen Leitbilder, sondern im Gegenteil auf die Gemeinsamkeiten der städtebaulichen Maßnahmen, die in beiden Städten im Zeitraum bis 1990 vorgenommen wurden. Sachkundig und strukturiert führt sie die kritisch-reflektierte Analyse von Literatur und Planmaterial in anschaulichen Piktogrammen zusammen. Diese ergänzt sie um eine wissenschaftlich fundierte und gut lesbare schriftliche Ausarbeitung.
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Louisa Winter
„Die Befreiung des Grundrisses vom standardisierten Bad. Welche Arten von Flexibilität entwickeln sich? Analyse und Kategorisierung von sieben Fallstudien“
Eingereicht vom Fachgebiet Entwerfen und Wohnungsbau
Lousia Winters Forschungsprojekt untersucht die Rolle des Badezimmers im zeitgenössischen Wohnungsbau. Vor dem Hintergrund der Entwicklung flexibler Wohnstrukturen, formuliert sie die relevante Fragestellung, ob sich das Bad in seiner Gestaltung und Positionierung der Flexibilität der Grundrisse anpassen kann und die Sanitärräume in sich flexibel gestaltet werden können.
Ausgehend von mehreren Fallstudien, die Sie mittels Grundrissanalysen detailliert auswertet, erreicht die Arbeit eine hohe inhaltliche Tiefe. Sie betrachtet dabei sowohl räumlich-atmosphärische als auch technische Eigenschaften der untersuchten Räume. Ergebnis der Analyse ist ein Katalog von Strategien zur Flexibilisierung von Badezimmern. Damit liefert diese Arbeit einen wichtigen Beitrag für die Grundlagenforschung an flexiblen Typologien, die über ihre Anpassungsfähigkeit, geringe räumliche Determination und/oder veränderbare Nutzung im Alltag sich eignen einen Beitrag für diverse und nachhaltigere Wohnungs- und Stadtentwicklung zu liefern.
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Die Anerkennungen sind mit je 250 Euro dotiert.
Allen Ausgezeichneten einen herzlichen Glückwunsch!
Der Stifter
Stifter des Preises ist der freie Architekt und TU-Alumnus Dr.-Ing. Heinz Stillger (1922–2008), der am Tag der Preisverleihung 100 Jahre alt geworden wäre. Heinz Stillger studierte von 1947 bis 1951 am Fachbereich Architektur der Technischen Hochschule Darmstadt. 1952 gründete er sein eigenes Architekturbüro in Bad Camberg, das bald nach Wiesbaden und den Kreis Limburg-Weilburg sowie Wetzlar erweitert wurde. So entstand bei reger Teilnahme an Wettbewerben in diesen Regionen bis 1997 eine Vielzahl privater und öffentlicher Bauten. Kennzeichnend für Heinz Stillgers Architektur ist die überzeugte Orientierung an den gestalterischen Ideen des Werkbundes und des Bauhauses. Heinz Stillger war mit Leib und Seele Architekt. Mit Gründung seiner Stiftung machte er deutlich, dass er sein Leben ganz der Architektur gewidmet hat.
Die Stiftung
Die HEINZ-STILLGER-STIFTUNG ist eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Wiesbaden. Sie wurde 1995 gegründet und verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke.Ihr Stiftungszweck sind wissenschaftliche und künstlerische Aufgaben insbesondere auf dem Gebiet der Architektur und der handwerklichen Baukunst sowie die Förderung der beruflichen Bildung auf diesem Gebiet.Dieser wird unter anderem verwirklicht durch:
- Die Finanzierung von Forschung und Wissenschaft auf dem Gebiet der Architektur
- Die Unterstützung begabter und Förderungswürdiger Studierender der Architektur
- Die Förderung und Unterstützung der Ausbildung von Handwerksmeistern
- Die Förderung der Denkmalpflege insbesondere historischer Bauten.