Werdegang
Evers kam über Umwege zur Kunstgeschichte. Er studierte Deutsch, Geschichte und Turnen in Göttingen und Heidelberg und legte 1923 in Berlin das Staatsexamen für das höhere Lehrfach ab. Das Thema seiner Dissertation, „Winckelmann und Lessing im Kampf um die Erziehung zur Kunst“ (1924, unveröffentlicht), kann als Verbindungsglied zwischen seiner pädagogischen Ausbildung und seinem erstarkenden Interesse für die Kunstgeschichte gelten. Ab 1924 war er Assistent bei Carl Neumann am Kunsthistorischen Institut Heidelberg. Ein amerikanisches Stipendium ermöglichte ihm im Wintersemester 1925/26 eine mehrmonatige Forschungsreise nach Ägypten. Nach seiner Rückkehr, nun am Lehrstuhl des Heidelberger Ägyptologen Hermann Ranke, verfasste er das zweibändige Buch „Staat aus dem Stein“ hervorging (erschienen 1929). Ab 1928 war Evers Assistent am Lehrstuhl von Wilhelm Pinder an der Universität München, ab seiner Habilitation, 1932, lehrte er dort als Privatdozent. Nach einem Semester als Lehrbeauftragter an der TH Darmstadt wurde Evers im April 1950 auf den Lehrstuhl für Kunstgeschichte berufen, den er bis zu seiner Emeritierung, 1968, innehatte. Ab dem Wintersemester 1955/56 bis zum Sommersemester 1957 war Evers Dekan der Fakultät für Architektur.
Qualifikationsschriften
Dissertation über „Winckelmann und Lessing im Kampf um die Erziehung zur Kunst“ (1924, unveröffentlicht). Evers habilitierte sich mit einer Arbeit über „Die Breitrichtung der Basilika“ (1932), die später Teil seiner Publikation „Tod, Macht und Raum als Bereiche der Architektur“ (Filser, München 1939) wurde.
Forschung
Evers verstand sich als Generalist und widmete sich entsprechend einem breiten Spektrum an Forschungsgegenständen, deren genre- und epochenübergreifende Verknüpfung er zur Methode erhob. Er profilierte sich zunächst als Rubensforscher und als Ägyptologe mit Schwerpunkt auf altägyptischer Architektur. Dazu kam die Auseinandersetzung mit romanischer Kirchenbaukunst. Er beschäftigte sich aber auch eingehend mit der (europäischen) Moderne und Gegenwart, hier insbesondere mit der Fotografie, die seinerzeit noch nicht endgültig als Kunstmedium und damit Gegenstand der Kunstgeschichte etabliert war, und mit der Kunst des 19. Jahrhunderts (Historismus und Jugendstil). Evers publizierte umfassend zu all diesen Themen. Ein weiteres Themenfeld, das Evers immer wieder beschäftigte, war der Theaterbau. Sein letztes großes Werk behandelt Ludwig II. von Bayern als Theaterfürst, König und Bauherr.
Lehre an der TH Darmstadt
Evers lehrte in Darmstadt vom Wintersemester 1949/50 bis zum Sommersemester 1968/69, genau zwanzig Jahre. Für die Studierenden der Architektur bot er pro Semester zwei Veranstaltungen an. Im Zentrum stand dabei der bereits etablierte Vorlesungszyklus von der Antike bis in die Gegenwart. Im Verlauf von acht Semestern widmete sich Evers der außereuropäischen und europäischen Antike, der römischen und frühchristlichen Kunst, dem frühen und hohen Mittelalter, Renaissance und Barock sowie der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Während den Vorlesungen sprach Evers in der Regel frei und ging dabei im verdunkelten Raum umher, begleitet durch Lichtbilder aus zwei Diaprojektoren.
Besonders in der ersten Hälfte seiner Amtszeit bot Evers zahlreiche Exkursionen an. Neben Tagesexkursionen in die Region um Darmstadt gehörten dazu auch Auslandsreisen darunter nach London, Paris und Ägypten. Die ‚großen‘ Exkursionen standen meist im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Vorlesungen. Exkursionen waren auch integraler Bestandteil von Lehrveranstaltungen, die Evers gemeinsam mit dem Historiker Hellmuth Rößler im Lehrangebot der Kultur- und Staatswissenschaften gab. Darüber hinaus übernahm Evers in den 1950er-Jahren auch kunsthistorische Lehrveranstaltungen an der Werkkunstschule (heute: h-da).
Rezeption / Wirkung
Für Kontroversen sorgt Evers' Einsatz im Kunstschutz im Nationalsozialismus und seine nach eigenen Angaben 'neutrale' politische Haltung gegenüber dem Regime. Wie seine beiden Vorgänger Heinz Rudolf Rosemann und Oskar Schürer wurde Evers im Zuge der Spruchkammerverfahren als entlastet eingestuft und konnte so seine Universitätskarriere in der Nachkriegszeit fortsetzen. Ein Aufsatz von Christian Fuhrmeister widmet sich diesem Thema.
Innerhalb der TH/TU Darmstadt wird Evers vor allem für seine Verdienste beim Wiederaufbau des Kunsthistorischen Instituts gewürdigt. Hier setzte er sich insbesondere für die Ausstattung von Bibliothek und Diathek ein und kämpfte erfolgreich für eine zweite Assistent*innenstelle.
Evers war ein Netzwerker, der es verstand, Kontakte zu pflegen und für seine Arbeit gewinnbringend zu nutzen. Davon zeugt die beeindruckend umfangreiche Korrespondenz in seinem Nachlass. Er bemühte sich beispielsweise um gute Beziehungen zum Magistrat der Stadt Darmstadt und erhielt von dort in den ersten Jahren auch mehrfach finanzielle Zuwendungen für die Ausstattung seines Instituts. Im Gegenzug lud er den Oberbürgermeister zu einer „Exkursion“ in die 1957 bezogenen Räume des Instituts im TH-Hauptgebäude ein. Evers engagierte sich als Mitglied zahlreicher Darmstädter Vereine und Verbände, darunter dem Kunstverein und dem Förderverein des Hessischen Landesmuseums, dessen Gründungsmitglied er war. Er war außerdem Mitglied der Kunstankaufskommission der Stadt Darmstadt und ständiges Mitglied des Komitees der Darmstädter Gespräche.
Zeitzeug*innen erinnern sich an Evers als charismatische Persönlichkeit und einige ehemalige Studierende betonten seinen besonderen Einfluss auf ihre spätere Arbeit. Seine Vorträge und Vorlesungen waren bei den Studierenden ebenso beliebt wie bei der Darmstädter Öffentlichkeit. Die Vorlesungssäle waren oft bis zum letzten Platz gefüllt. Evers verstand es, komplexe historische und geistesgeschichtliche Zusammenhänge durch unkonventionelle Vergleiche anschaulich zu machen. Evers neigte in seinen Vorlesungen nicht zum Anekdotischen oder Humoristischen, doch gab es bisweilen Zwischenapplaus für besonders verschachtelte Relativsätze (die er stets zu einem korrekten Ende brachte) oder ausgefallene Formulierungen. Humor bewies Evers mit einer Vorlesung an Karneval, für die er, als Löwenbändiger verkleidet und mit dem Familienhund an der Leine, einen Vortrag über Löwen-Denkmäler hielt, deren Bilder er sammelte.
Ehemalige Studierende erinnern sich an Evers als respekteinflößend und zugleich wohlwollend, wenn er etwa bei Postkartenprüfungen durch versteckte Hinweise zu Antworten ermunterte. Mehrfach wurde Evers auch für sportliche Leistungen bewundert, etwa für perfekte Kopfsprünge vom Sprungturm des Hochschulbades und seine Erfolge bei Wettläufen zur Spitze der Cheopspyramide.
Evers war ein hervorragender Fotograf und hatte auf Reisen und Exkursionen stets zwei Leica-Kameras für farbige und schwarzweiße Aufnahmen dabei. Die entstandenen Bilder setzte er in der Lehre und für Publikationen ein und verkaufte sie bisweilen auch an Bildagenturen wie Foto Marburg. Die Bilder haben sich zu großen Teilen in der Glasdiasammlung des Fachgebiets Architektur- und Kunstgeschichte erhalten.
(Lisa Beißwanger)
(wird in neuem Tab geöffnet) Publikationsliste Hans Gerhard Evers, PDF
(wird in neuem Tab geöffnet) Lehrveranstaltungen im Fach Kunstgeschichte, Amtszeit Evers 1949 -1969
Quellen:
Universitätsarchiv Darmstadt (Personalakte und wiss. Nachlass); Evers Familienarchiv
Zeitzeug*innen: Karsten und Tilman Evers; Diemut Schnetz; Reinhard Frotscher; Hans-Jürgen Kröpsch
Christian Fuhrmeister: Optionen, Kompromisse und Karrieren. Überlegungen zu den Münchener Privatdozenten Hans Gerhard Evers, Harald Keller und Oskar Schürer. In: Doll, Nikola/Fuhrmeister, Christian/Sprenger, Michael H. (Hrsg.): Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beiträge zur Geschichte einer Wissenschaft zwischen 1930 und 1950 Weimar: VDG 2005, S. 219–242.