New Bloomsbury College, London
Masterthesis Winter 2018/19

Hrsg. vom Fachgebiet Entwerfen und nachhaltiges Bauen (Prof. Christoph Kuhn)

Es gilt ein College, also einen Ort der Gemeinschaft, zu entwerfen, in Mitten von Londons Kultur- und Universitätszentrum Bloomsbury. Ein neues College zum gemeinsame Lernen, Wohnen, Sport treiben, zum individuellen Entspannen und Abschalten. Zugleich ein neuer zentraler öffentlicher Treffpunkt auf dem Campus des University College of London.

Wir möchten mit diesem Projekt die Frage nach einer eigentlich gar nicht neuen Art des Studierens aufwerfen, die in der historischen Entwicklung der europäischen Universitäten ursprünglich bereits angelegt ist. Ein Studieren, das den aktuellen Tendenzen der Isolierung und Trennung von Lehrenden und Lernenden, Arbeitszeit und Freizeit, körperlicher und geistiger Tätigkeit entgegen wirkt. Wir suchen auf diese Fragen eine architektonische Antwort. Eine Antwort auf die Bedingungen der funktionalen Abläufe mit ihren wechselseitigen Beziehungen und deren räumliche Übersetzung. In welche Beziehung treten in diesem hybriden College-Gebäude die Gemeinschaft und das Individuum?

Diese und weitere Fragestellungen sollen in den Entwürfen der Masterthesis im urbanen Kontext Londons und im kritischen Rückblick auf das historische collegium academiae untersucht werden.

Die Struktur des Gebäudes basiert auf der Typologie des Klosters, um unterschiedliche Funktionen und Öffentlichkeitsgrade zu vereinen, aber auch zu filtern. Durch Zonierung und Wegeführung wird ein Miteinander der heterogenen Nutzungen ermöglicht, deren Zusammengehörigkeit im Sinne eines ganzheitlichen Studiums gestärkt und gleichzeitig unterschiedliche Bereiche ausgebildet. Die Stirnseite erhebt sich als städtebaulicher Hochpunkt. Sie enthält die öffentlichen, repräsentativen Nutzungen, deren Krone die Sporthalle ausbildet. Im hinteren Teil befinden sich die Nutzungen für Lehre und Studium und darüber sind Apartments für die Studierenden angeordnet. Es entsteht ein Verlauf an Öffentlichkeitsgraden innerhalb des Gebäudes. Die zentrale Treppe ist die Nahtstelle zwischen diesen Bereichen.

© Sarah Herzog

© Sarah Herzog

© Sarah Herzog

© Sarah Herzog

© Sarah Herzog

© Sarah Herzog

Die Dimensionierung des Baukörpers fügt sich gut in den städtebaulichen Kontext ein. Die zweiseitige Erschließung im EG ermöglicht den Fluss von Passantenströmen, eine visuelle Verknüpfung zum öffentlichen Raum wird durch Geschoss- und Fassadeneinschnitte gebildet. 

Das Staircase Konzept bedingt die Orientierung aller Einheiten an einem Treppenhaus. Trotz Gliederung in verschiedene Nutzungseinheiten sind gleichzeitig größtmögliche Flexibilität und Verknüpfung der Ebenen über den Treppenraum gegeben. Der Dachgarten, zentraler Punkt der Kommunikation und Verknüpfung der Collegenutzer im Außenraum, ermöglicht die Erschließung aller Wohneinheiten. Diese folgen als Reminiszenz an den britischen Wohnungsbau der klassischen Grundrissstruktur.

© Robin Kuppler

© Robin Kuppler

© Robin Kuppler

© Robin Kuppler

© Robin Kuppler

© Robin Kuppler

Das New Bloomsbury College in London bildet einen wichtigen Baustein für die universitäre und städtische Gemeinschaft im Stadtteil Bloomsbury. Es schafft ein neues attraktives Zentrum für das Viertel und lässt für die NBC-Studierenden einen ökologischen und vielseitigen Ort entstehen, der Sport, Lernen und Wohnen vereint. Um den Ansprüchen für einen nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit der gebauten Umwelt – dem genius loci – gerecht zu werden, ist die Berücksichtigung des Bestandsgebäudes elementar und entwurfsprägend.

Das Gebäude stellt sich souverän in den Stadtraum und kommuniziert mit dem gebauten Kontext. Der Westflügel schließt dabei an das Nachbargebäude an und führt den Straßenzug fort. Der nördliche Gebäudeflügel ergänzt als Ensemblekopf das Straßenbild der Malet Street. Der Sockel bildet eine platzseitige Fassade und erzeugt ein Plateau, der College Garden, der nur für College-Studierende zugänglich ist. Der Torrington Square bekommt ein neues, lebendiges Gesicht, welches seiner Funktion als Marktplatz und universitäre Agora entspricht. Das Sports Centre dient als Fundament, das zwischen College und Universität kommuniziert. Das Learning Centre krönt den Nordflügel und entwickelt – einem Leuchtturm ähnelnd – eine eigenständige, prägnante Identität. Das studentische Wohnen findet im straßenseitigen Neubau des Gebäudes statt.

Durch den Haupteingang betritt man das doppelgeschossige Foyer und stößt auf den Gang, der das Bestandsgebäude bestimmt und im Neubau strukturell übernommen wird. Hinter dem Gang befindet sich das öffentliche Treppenhaus sowie das College-Café, das eine direkte Verbindung zum Torrington Square herstellt. Folgt man dem Gang gelangt man über den Showroom auf die Tribüne der ursprünglichen Schwimmhalle, die minimalinvasiv in eine Sporthalle konvertiert wurde.

Die College-Studierenden gelangen über zwei Eingänge in das Studentenwohnheim: den Malet Street-seitigen Eingang und über das universitäre Repair-Café. Das Studentenwohnheim im Westflügel besteht aus 50 Ein-Personen-Wohneinheiten sowie fünf Zwei-Personen-Einheiten, die in vorfabrizierter Holzraummodul-Bauweise gefertigt werden. Alle Einheiten werden durch einen gemeinschaftlichen, multifunktionalen Gang – im Sinne des Bestandes – miteinander verbunden, der abwechselnd Koch- und Wohnnischen ausbildet, die sich Richtung College Garden ausrichten. Dieser schafft eine grüne Erholungsanlage, die gleichzeitig zur Verbesserung des Mikroklimas beiträgt.

Im Lehrkörper befindet sich im ersten und zweiten Geschoss die Lecture Hall, der ehemalige, zweigeschossige Veranstaltungssaal, der Ausblicke in den Straßenraum und in den Garten gewährt. Die Wohnungen der Professor*innen sind im vierten Obergeschoss verortet und durch einen gemeinschaftlichen, repräsentativen Bereich miteinander verbun-den. Darüber befindet sich das Learning Centre, das aus Bibliothek, Seminarräumen, individuellen und Gruppenarbeitsbereichen besteht. Das Staffelgeschoss des Bestandes bekommt eine pyramidenartige Erweite-rung und erzeugt durch Plateaus, die als Lernplattformen fungieren, eine einzigartige Lernatmosphäre für College- und Universitäts-Studierende sowie Wissenschaftler*innen.

Als nachhaltiges, zukunftsweisendes College werden passive sowie aktive Maßnahmen kombiniert, um ein ökologisch, innovatives Konzept zu ermöglichen. Durch den Umgang mit Bestandssubstanz und den Erweiterungen aus nachhaltigen Rohstoffen werden wertvolle Baumaterialien bewahrt und Herstellungs- sowie Grauenergiewerte minimiert. Mithilfe einer passiven Verschattung durch tiefe Schotten wird die Überhitzung bei hohen Glasanteilen verhindert. Die Kastenfenster leiten die Frischluft des Gartens in das Lear-ning Centre und bewirken eine Vortemperierung, die durch den passiven Luftaustausch des Venturi-Effekts unterstützt wird. Die Agora des Torrington Squares dient als Auffangbecken und leitet das Regenwasser zur Aufbereitung in das ehemalige Schwimmbecken. Photovoltaikanlagen und ein Blockheizkraftwerk generieren die zusätzlich benötigte Energie in Stoßzeiten.

© Mark Ritz

© Mark Ritz

© Mark Ritz

© Mark Ritz

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