Neuer Bahnhof Bregenz
Masterthesis Wintersemester 2024/25

Herausgegeben vom Fachgebiet Entwerfen und Nachhaltiges Bauen (Prof. Christoph Kuhn)

Ziel der Masterthesis war es, den Bahnhof Bregenz als bedeutenden urbanen Infrastrukturknoten neu zu denken und ein zukunftsfähiges, städtebaulich sowie architektonisch überzeugendes Gesamtkonzept zu entwickeln. Der Bahnhof fungiert sowohl als Ort der täglichen Mobilität für Pendlerinnen und Pendler als auch als Ankunfts- und Weiterreisepunkt für touristische Besucherinnen und Besucher. Darüber hinaus kommt ihm eine zentrale Rolle als städtebauliches Verbindungselement zwischen Seeufer und Stadtraum zu.

Im Rahmen der Aufgabe war es freigestellt, das bestehende Bahnhofsgebäude zu erhalten, partiell rückzubauen oder vollständig neu zu interpretieren. Der Entwurf sollte unter Berücksichtigung funktionaler, gestalterischer und sozialräumlicher Anforderungen ein schlüssiges Gesamtkonzept für die zukünftige Nutzung und Gestaltung des Bahnhofsareals entwickeln.

Die Bahnanlage bildet dabei das funktionale Herzstück. Eine klare Zonierung von Gleisen, Zugängen und Wartebereichen sowie die barrierefreie Erschließung sämtlicher Bereiche waren zwingend sicherzustellen. Neben der reinen Funktionalität sollte auch eine hohe Aufenthaltsqualität geschaffen werden, um insbesondere dunkle, unübersichtliche und als unsicher empfundene Bereiche – sogenannte „Angsträume“ – gestalterisch aufzuwerten.

Als zentrale Anlaufstelle für Reisende sollte das Reisezentrum Informationen zu Fahrplänen, Tickets und weiteren Dienstleistungen bereitstellen. Die Aufenthaltsqualität sowie die Integration begleitender Service- und Einkaufsangebote waren integraler Bestandteil der konzeptabhängigen Ausarbeitung.

Das gastronomische Angebot sollte sowohl den Bedürfnissen von Reisenden als auch der lokalen Bevölkerung gerecht werden. Ob Cafés, Restaurants oder Schnellimbissangebote vorgesehen werden, lag im Ermessen des jeweiligen Entwurfsansatzes.

Ergänzend war ein Kapselhotel als innovative Übernachtungsmöglichkeit zu integrieren. Die Konzeption sah eine kompakte, funktionale und zugleich komfortable Gestaltung der Kapseln sowie gemeinschaftlich nutzbare Bereiche und eigene Sanitärräume vor.

Darüber hinaus waren die für den Betrieb notwendigen Verwaltungs-, Technik- und Lagerräume sowie Pausen- und Sozialräume für das Personal der ÖBB, der Sicherheits- und Reinigungsdienste sowie der Post in die Planung einzubeziehen.

Dem Außenraum kam eine besondere Bedeutung zu. Die Gestaltung sollte die stadträumliche Verbindung zwischen Seeufer und Innenstadt stärken und den Bahnhof als integralen Bestandteil des öffentlichen Raums positionieren. Der Bahnhofsvorplatz sollte nicht nur als Zugang zu den Gleisen dienen, sondern auch als Begegnungs- und Aufenthaltsort für die Bevölkerung sowie für Besucherinnen und Besucher gestaltet werden.

Ein weiterer Bestandteil der Aufgabenstellung war die Integration vielfältiger Mobilitätsangebote im unmittelbaren Umfeld des Bahnhofs. Dazu zählen separate, witterungsgeschützte Fahrradabstellanlagen für bis zu 800 Fahrräder sowie ein klar strukturierter Bereich für Busse, Taxis und Kiss & Ride, um die multimodale Erreichbarkeit des Bahnhofs sicherzustellen.

Die Gesamtfläche sowie das Raumprogramm dienten als orientierender Maßstab, konnten jedoch – abhängig vom individuellen Entwurfskonzept – angepasst und weiterentwickelt werden. Maßgeblich war die Entwicklung eines inhaltlich schlüssigen, gestalterisch hochwertigen und funktional überzeugenden Gesamtentwurfs.

Zum Stadelsteg

Der neue Bahnhof dient nicht nur als architektonisches Wahrzeichen für Bregenz, sondern verbindet zugleich die Innenstadt mit dem Seeufer. Drei zentrale Aspekte prägen den Entwurf: Kultur, Verbindung und Effizienz. Diese Leitgedanken spiegeln sich sowohl in der städtebaulichen Setzung als auch in der architektonischen Gestaltung wider.

Der Bahnhof fügt sich harmonisch in die Promenade am Seeufer ein und stärkt eine bestehende städtebauliche Achse. Damit wird das Gebäude nicht nur selbst zu einem markanten Orientierungspunkt, sondern hebt auch die Qualitäten von Bregenz hervor. Der Entwurf interpretiert das klassische Bahnhofsgebäude neu, indem er bewusst auf übermäßige Technisierung verzichtet und stattdessen auf traditionelle Bauweisen setzt.

Die Architektur orientiert sich stark an der Baukultur Vorarlbergs. Die Konstruktion erinnert an eine klassische Fachwerkbrücke, die auf massiven Sockeln ruht. Das Raumkonzept ist klar gegliedert: Ein Schnellweg und eine Nutzungszone werden durch eine dazwischenliegende Pufferzone getrennt, die sich aus der Konstruktion ergibt. So entstehen geschützte, ruhige Bereiche für verschiedene Nutzungen, während zugleich eine effiziente Durchwegung sichergestellt ist.

Ein besonderes Merkmal des Entwurfs ist seine Anpassungsfähigkeit an saisonale Schwankungen: Während der Bregenzer Festspiele im Sommer steigt das Besucheraufkommen erheblich, während im Winter deutlich weniger Bedarf besteht. Das Raumkonzept ist daher so konzipiert, dass in der Hauptsaison zusätzliche Flächen genutzt werden können, die in der Nebensaison nicht erforderlich sind.

Die offene Tragstruktur transportiert nicht nur die lokale Baukultur, sondern gliedert auch den Grundriss auf natürliche Weise. Die transparente Ostfassade sowie die klare räumliche Organisation sorgen für eine intuitive Orientierung.

So bringt der neue Bahnhof von Bregenz den Besucher*innen nicht nur die lokale Kultur näher, sondern schafft auch eine direkte Verbindung zwischen Stadt und See – und fungiert zugleich als effizienter Verkehrsknotenpunkt.

BRÜCKE IM KONTEXT

Der Entwurf beschäftigt sich im Kern mit der Frage, wie eine Brücke zu einem zeitgemäßen und kontextspezifischen Bahnhof werden kann. Sie legt sich orthogonal über den gebündelten Verkehrsstrom und verbindet in einer klaren Linie die Quartiersmitte des neuen Stadtviertels mit dem Vorplatz des Festspielhauses am Bodensee.

Vom Bahnsteig kommend gelangt man über weithin sichtbare Treppenaufgänge direkt auf die Brücke – und wird dort mit einem Blick Richtung Bodensee und Altstadt empfangen. Die Überführung fungiert somit als repräsentativer Eingang und bietet zugleich eine klare Orientierung.

In der Konstruktion verbindet sich das für Bahnhöfe typische Material Stahl mit regional verfügbarem, nachhaltigem Holz in den Dachflächen. Die außenliegenden, offenen und zugleich geschützten Bewegungszonen schaffen ein Gefühl von Sicherheit im öffentlichen Raum und bilden eine niedrigschwellige, attraktive Verbindung vom Stadtkern zum Seeufer.

Die Brücke ist dabei weit mehr als eine bloße Überquerung: Sie integriert die Räume, die das Reisen begleiten. Durch die gestaffelte Gliederung in Bewegungs- und Aufenthaltszonen wird sowohl schnelles Ein-, Aus- und Umsteigen als auch entspanntes Schlendern und Verweilen ermöglicht.

Die Gestaltung der Brückenköpfe reagiert in Form und Funktion sensibel auf ihren jeweiligen Kontext. Um den Naturraum zu schützen und den Stadtraum zu stärken, liegt die Hauptadresse des Bahnhofs auf der Stadtseite. Dort ragt die Brücke in ihrer Höhe aus der umliegenden Blockstruktur heraus: Ein Kapselhotel sowie Verwaltungs-, Technik- und Personalbereiche mit direkter Anbindung an den Bahnhof sind über dem Brückenkopf integriert.

Die Verwandlung der Brücke in ein Gebäude verleiht dem Bahnhof ein markantes Gesicht zum Stadtraum hin.

Ausgezeichnet mit dem Fachbereichspreis .

Wo sind wir, wenn wir reisen?

Wenn es einen Ort gibt, der das Reisen wie kaum ein anderer verkörpert – damals wie heute – dann ist es der Bahnhof. Als Ankerpunkt im Netzwerk der Bewegung ist er weit mehr als bloßer Transitort. Er ist Orientierungspunkt und oft das Erste und Letzte, das Reisende von einer Stadt wahrnehmen. Damit trägt er eine repräsentative Verantwortung und ist zugleich ein sozialer und öffentlicher Raum. Der neue Bahnhof in Bregenz nimmt sich dieser Aufgabe an:

Was kann ein öffentlicher Bau – offen für alle – über seine reine Funktion als Verkehrsknotenpunkt hinaus für Menschen und Umgebung leisten?

Die aktuelle Situation des Bregenzer Bahnhofs ist unzureichend. Im Rahmen des Entwurfs werden Teile der Bestandsgebäude rückgebaut, um die zentrale Mittelachse – bestehend aus drei Gebäuden – freizulegen. Ein Abschnitt der bestehenden Brücke, die bislang die Gleise erschließt, wird obsolet, da die parallel verlaufende Bundesstraße verlegt wird. Dieser Teil wird entfernt, um die beengte Situation zwischen und unter den Bestandsstrukturen zu entlasten.

In die dadurch entstehende Lücke setzt sich die neue Bahnhofshalle – ein städtebaulich wirksames Volumen, das sich wie eine Hülle über die bestehenden Gebäude legt. Über einen Anschluss an den verbliebenen Brückenteil entsteht ein neuer Weg zu den Gleisen und zum zukünftigen Busbahnhof. In den Obergeschossen der neuen Halle befinden sich weiterhin Ruheräume und ein Kapselhotel. Der direkte Weg durch die Halle, über die Brücke bis zu den Gleisen formt eine klare Transitachse.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Gleise wird die bestehende Fahrradrampe verlängert und ausgebaut. Sie bietet Platz für rund 600 Fahrräder sowie ein Café im obersten Geschoss – mit direktem Blick auf den Bodensee, den Pfänder und die Stadt. Hier befindet sich der End- bzw. Ausgangspunkt der Transitachse.

Dem gegenüber steht eine zweite, langsame und entdeckende Achse, die sich orthogonal dazu durch die drei Bestandsgebäude zieht. Sie wird gerahmt von einer weitgehend im Originalzustand belassenen Veranstaltungs- und DIY-Halle sowie einem Kiosk am Kopfende des Bahnhofs – ein Anlaufpunkt aus der Stadt heraus, der die angrenzende Grünfläche als verbindende „Zunge“ in Richtung Innenstadt bespielt. Im mittleren Bestandsgebäude befindet sich ein Restaurant. Die abgerundeten Ecken der Bestandsstruktur schieben sich in die neue Halle hinein und aktivieren deren Erdgeschoss.

Die neue Bahnhofshalle wird so zum Schnittpunkt der „Transit“-Achse und der „Plus“-Achse. Es entstehen Räume – innen wie außen – die zum Entdecken einladen und neue Perspektiven auf den Bahnhof als Ort des Reisens eröffnen. Offene Bereiche, die ohne Konsumzwang nutzbar sind, bieten Aufenthaltsqualität für alle – ob mit oder ohne Reiseanlass. So wird der Bahnhof punktuell zum „dritten Ort“: ein Ort zwischen Zuhause und Arbeit, der Begegnung, Austausch und Teilhabe ermöglicht.

Ausgezeichnet mit dem Fachbereichspreis .

Warte des Ortens

Dieser Entwurf hat in erster Linie das Ziel, Bregenz den Bodensee zurückzugeben und so die Symbiose aus See, Stadt und Bergen wiederherzustellen. Um die bestmögliche Verbindung zwischen Stadt und See zu gewährleisten, ist die Verlegung der Bahntrasse unter die Erde die konsequenteste Maßnahme. Der Eingriff in den sensiblen Naturraum Bodensee ist notwendig, um die Lebensqualität in der Stadt deutlich zu steigern. Neben der Verbesserung der Radverbindung rund um den Bodensee wird auch die Lärmbelästigung erheblich reduziert.

Bahnhöfe sind in ihrer grundlegenden Konzeption „Orte des Wartens“. Alles ist darauf ausgerichtet, Zeit abzusitzen. In modernen Bahnhöfen wird zunehmend versucht, die Wartezeit durch Konsumangebote zu überbrücken. Sie werden zu passiven Orten des Verweilens. Doch aus eigener Erfahrung wissen wir: Warten fühlt sich selten gut an.

Vom Ort des Wartens zur Warte des Ortens

Mein Vorschlag für einen neuen Bahnhof in Bregenz transformiert den „Ort des Wartens“ in eine „Warte des Ortens“. Im Mittelpunkt steht das aktive Beobachten des Ortes und seiner Umgebung – für alle Nutzerinnengruppen eines Bahnhofs. Touristinnen erhalten so die Möglichkeit, sich beim Ankommen in Bregenz zu orientieren und ein Verständnis für die Vorarlberger Kultur zu entwickeln. Dazu tragen insbesondere der Aussichtsturm, das Café sowie die Kombination aus Werkstatt und Bühne bei. Über die verschiedenen Gebäude hinweg lassen sich Landschaft, Natur und Kulinarik Vorarlbergs erleben. Aber auch für Einheimische soll der neue Bahnhof immer wieder ein Ort des Zusammenkommens sein.

Bregenz, eine Stadt mit etwa 28.000 Einwohnerinnen, ist vor allem für ihr vielfältiges kulturelles Angebot bekannt. Ein besonderes Highlight sind die renommierten Bregenzer Festspiele, die jedes Jahr zahlreiche Besucherinnen anziehen. Das Festspielhaus mit seiner beeindruckenden Seebühne fasst bis zu 6.659 Zuschauer*innen pro Vorstellung und wird in einem Sommermonat intensiv genutzt.

Der neue Bahnhof Bregenz bildet einen dynamischen Knotenpunkt zwischen Stadt, See, Altstadt und Festspielhaus. Als Eingangstor zu Bregenz und ganz Vorarlberg soll er nicht nur den täglichen Pendelverkehr aufnehmen, sondern auch flexibel auf die hohen touristischen Besucherzahlen im Sommer reagieren.

Dabei bleibt der Bahnhof über das gesamte Jahr hinweg kompakt und funktional – und lässt sich im Festspielmonat gezielt erweitern. Das Konzept folgt einer klaren Struktur: Ein flexibles Gerüst bildet die Grundlage, das sowohl im Alltagsbetrieb als auch während der Festspielzeit genutzt werden kann. In den Sommermonaten, wenn das Besucheraufkommen deutlich steigt, lässt sich der Bahnhof durch textile Erweiterungen bespielen. So wird er für Touristinnen und Pendlerinnen gleichermaßen einladend und effizient nutzbar.

Die Architektur des Bahnhofs passt sich den Besonderheiten der Stadt an: Anstelle einer monumentalen, dauerhaften Halle setzt der Entwurf auf ein modulares System, das je nach Bedarf skalierbar und wandelbar ist. Die Nutzung der Höhe der Bahnhofsüberbrückung sorgt für eine kompakte Gliederung des Raums, während offene und großzügige Flächen dem Bahnhof zugleich eine markante Präsenz verleihen.

Die Baukonstruktion bleibt von außen ablesbar: Kubische Elemente machen unterschiedliche Funktionen sichtbar. Durch großzügigen Einsatz von Glas wirkt der Bahnhof transparent und bietet weite Ausblicke auf die Umgebung – insbesondere auf das Festspielhaus und den Bodensee.