Herausgegeben vom Fachgebiet Entwerfen und Baukonstruktion (Prof. Felix Waechter)
Am 16. April 2024 bricht in der Børsen, einem der ältesten Gebäude Kopenhagens, ein verheerender Brand aus, der nicht nur die physische Substanz des Bauwerks, sondern die kulturelle Identität der Stadt erschüttert. Teile des Gebäudes, das 1850 als erstes der Stadt unter Denkmalschutz gestellt wird und das zuvor mehrere Stadtbrände unbeschadet überstanden hatte, kollabieren. Besonders der Einsturz des ikonischen Drachenturms, der als eines der markantesten Wahrzeichen Kopenhagens galt, hinterlässt eine Leerstelle im städtischen Gefüge. Die Rettung zahlreicher Kunstgegenstände durch rasches Eingreifen von Passanten mildert den materiellen Verlust, vermag jedoch die schwerwiegenden baulichen Schäden nicht aufzuwiegen. Die Katastrophe lenkt jedoch gleichsam die Aufmerksamkeit auf die grundlegende Frage nach dem adäquaten Umgang mit historischen Bauten in der heutigen Zeit und entfacht eine Debatte, die weit über bloße Denkmalpflege hinausgeht. In einer Zeit, die zunehmend vom Bewusstsein für Ressourcenschonung und nachhaltiges Bauen geprägt ist, rücken jahrhundertealte Prinzipien der Reparatur, des Weiterentwickelns und Anpassens in den Mittelpunkt des architektonischen Diskurses. Im Gegensatz zu den Lehren der Moderne, die Architektur als abgeschlossene und endgültige Werke betrachtete, wird in der Unfertigkeit, in der ständigen Wandlungsfähigkeit und Weiterentwicklung von Bauten ein neuer Wert erkannt. Denn die Überlagerung und die respektvolle Ergänzung verschiedener historischer Schichten, das Sichtbarmachen vergangener Epochen, das Morgen aus dem Gestern zu denken, eröffnen ein großes architektonisches Potenzial. Die Wiederherstellung der Børsen könnte damit anstatt einer konservierenden Rekonstruktion als fortwährender Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart verstanden werden, der das Gebäude im Kontext der urbanen Entwicklung Kopenhagens neu und zeitgenössisch verortet. Wir suchen nach einer eigenen Haltung und Position. Über die Schnittstellen, Übergänge und architektonischen Zwischenräume hinaus sind charaktervolle und vielfältige Räume, zu denken, so dass durch das Hinzufügen ein neues Ganzes entsteht, das neu mit dem Gewebe Kopenhagens zu vernähen ist. Das in Einzelaspekten vermittelte Wissen über Topos, Typologie, Tektonik ist anzuwenden und mit den elementaren Fragen der Architektur zu Raum, Struktur, Material zu einem sinnhaften Ganzen zu fügen. Gemeinsam werden wir in Kopenhagen den Ort studieren um mit einem geschulten Auge eine Antwort auf die Aufgabe zu finden.